Raupen fressen Plastiktüten

Die Larven der Großen Wachsmotte können Polyethylen verzehren – Entwicklung neuer Verfahren zur Entsorgung von Plastikmüll möglich
Zehn Raupen brauchten 30 Minuten, um diese Löcher in eine Plastikfolie aus Polyethylen zu fressen.
Zehn Raupen brauchten 30 Minuten, um diese Löcher in eine Plastikfolie aus Polyethylen zu fressen.
© Spanish National Research Council (CSIC) Communications Department
Santander (Spanien)/Cambridge (Großbritannien) - Die Raupen der Wachsmotte leben bis zur Verpuppung in Bienenstöcken und ernähren sich unter anderem vom Wachs der Waben. Doch anstelle von Wachs können sie auch Plastiktüten fressen. Sie bauen Polyethylen effektiver ab als sämtliche bisher daraufhin untersuchten Bakterien, berichtet ein spanisch-britisches Forscherteam. Plastikabfall belastet in zunehmendem Maße die Umwelt, da sich der Kunststoff meist nur extrem langsam zersetzt. Die Entdeckung eines schnellen biologischen Abbaus durch Larven könne dazu führen, neue biotechnologische Verfahren zu entwickeln, um Plastikmüll zu entsorgen, schreiben die Wissenschaftler im Fachblatt „Current Biology“. Ob die Spaltung von Polyethylen eine Stoffwechselleistung der Raupe selbst oder ihrer Darmflora ist, bleibt vorerst ungeklärt.

„Wachs ist ein Polymer, gewissermaßen ein 'natürlicher Kunststoff', mit einer chemischen Struktur, die der von Polyethylen nicht unähnlich ist“, sagt Federica Bertocchini von der University of Cantabria in Santander. Das könnte erklären, warum Raupen der Großen Wachsmotte (Galleria mellonella) in der Lage sind, überraschend schnell Polyethylen abzubauen. Am Anfang dieser Entdeckung stand ein Zufall: Bertocchini hatte einige dieser auch Honigmaden genannten Larven aus einem befallenen Bienenstock entnommen und in einer Plastiktüte aufbewahrt. Aber schon nach kurzer Zeit konnten die Tiere entwischen, indem sie sich durch die Tüte fraßen. „Damit begann das Forschungsprojekt“, so Bertocchini.

Wurden Raupen in direkten Kontakt mit einer Polyethylenfolie gebracht, entstanden schon nach 40 Minuten die ersten Löcher. Jede Raupe erzeugte im Schnitt etwa zwei Löcher pro Stunde. Hundert Honigmaden in einer handelsüblichen Plastiktüte verzehrten in zwölf Stunden insgesamt 92 Milligramm des Kunststoffs. Dieser Effekt beschränkte sich nicht auf rein mechanisches Herausschneiden von Material mit Hilfe der Mundwerkzeuge. Das zeigten weitere Experimente, in denen die Forscher homogenisierte Raupen auf die Folie einwirken ließen. Dadurch verringerte sich die Plastikmasse in 14 Stunden um 13 Prozent. Eine chemische Vorher-Nachher-Analyse durch Chromatographie und Massenspektrometrie bestätigte schließlich, dass der Raupenextrakt das Polyethylen chemisch spaltete und als Abbauprodukt Ethylenglykol freisetzte. Der genaue Reaktionsmechanismus soll nun erforscht werden. Es ist aber anzunehmen, dass dasselbe Enzym, das unter normalen Lebensbedingungen das Bienenwachs spaltet, auch die Zersetzung von Polyethylen bewirkt. Noch ist nicht bekannt, ob dieses Enzym von der Raupe oder ihren Darmbakterien produziert wird.

Die Forscher hoffen, den biochemischen Prozess des Plastikabbaus aufklären und für ein biotechnologisches Verfahren zur Entsorgung von Polyethylenabfällen nutzen zu können. Es sei eine wichtige Aufgabe, die Gewässer und die übrige Umwelt vor einer zunehmenden folgenschweren Belastung mit diesen Schadstoffen zu schützen, schreiben die Autoren. „Plastik ist ein globales Problem.“ Etwa 40 Prozent aller Kunststoffprodukte bestehen aus Polyethylen, das hauptsächlich für Tüten und als Verpackungsmaterial verwendet wird. In Europa gelangen bis zu 38 Prozent des Plastikabfalls auf Müllhalden, der Rest wird recycelt oder verbrannt. In die Umwelt gelangtes Polyethylen zersetzt sich nur sehr langsam. In Laborversuchen mit speziellen Bakterien- oder Pilzarten dauerte es Wochen oder Monate, bis Abbauprodukte eine Zersetzung anzeigten.

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