Protozoen im Darm schützen vor Infektionen

Eine neu entdeckte Mikrobenart in der Darmflora von Mäusen verstärkt die Abwehr von Salmonellen und weist auf eine ähnliche Schutzwirkung beim Menschen hin
Tritrichomonas musculis, neu entdeckter Bewohner des Darms von Mäusen (kolorierte rasterelektronenmikroskopische Aufnahme)
Tritrichomonas musculis, neu entdeckter Bewohner des Darms von Mäusen (kolorierte rasterelektronenmikroskopische Aufnahme)
© Chudnovskiy Merad
New York (USA) - Im Darm von Säugetieren leben nicht nur Bakterien. Neben Archaeen und Pilzen sind auch verschiedene Arten von Protozoen wie Amöben und Flagellaten Bestandteile der normalen Darmflora, des Mikrobioms. Auch Vertreter dieser Gruppe von Darmbewohnern können dem Wirt von Nutzen sein, wie amerikanische Forscher jetzt entdeckt haben. Eine bisher unbekannte Spezies von Flagellaten im Darm von Mäusen regt das Immunsystem an, so dass die Tiere eine Salmonelleninfektion effektiver abwehren können. Im menschlichen Darm kommen ebenfalls Protozoen vor, die eine ähnliche Schutzwirkung haben könnten, berichten die Wissenschaftler im Fachblatt „Cell“.

„Unsere Arbeit zeigt, wie wichtig es ist, sich bei der Erforschung des Mikrobioms nicht nur auf Bakterien zu beschränken“, sagt Miriam Merad von der Icahn School of Medicine at Mount Sinai in New York, die Leiterin der Arbeitsgruppe. Die Forscher untersuchten, warum bei den Mäusen aus dem eigenen Labor die Zahl der Immunzellen in der Darmwand größer war als bei gekauften Mäusen des gleichen Typs. Mikroskopische Untersuchungen ergaben, dass die eigenen Tiere in ihrem Darm einzellige, durch Geißeln bewegliche Mikroben beherbergten, die anderen dagegen nicht. Wie eine DNA-Analyse zeigte, handelte es sich um eine neue Art von Flagellaten, die den Namen Tritrichomonas musculis erhielt. In Tieren aus vier verschiedenen Mäusezuchtlabors konnten die Forscher diesen Organismus ebenfalls nachweisen, was für eine größere Verbreitung spricht.

Die Wissenschaftler übertrugen nun eine größere Menge der Flagellaten über eine Sonde in den Darm von Mäusen, denen diese Mikroben fehlten. Auf die problemlose Besiedlung reagierten die Zellen der Darmwand, indem sie den Botenstoff Interleukin-18 (IL-18) freisetzten, der die Produktion spezieller Immunzellen verstärkte, so dass die Zahl bestimmter Typen sogenannter T-Helferzellen stieg. Zu solchen Entzündungsreaktionen kommt es auch, wenn der Körper bakterielle Infektionen abwehrt. Tatsächlich konnten Mäuse, deren Darm mit Tritrichomonas musculis besiedelt war, eine experimentelle Salmonelleninfektion viel besser abwehren als andere Mäuse. Offenbar versetzt diese Besiedlung die Immunabwehr in eine anhaltend erhöhte Alarmbereitschaft, die den Schutz vor bakteriellen Krankheitserregern verstärkt. Die Flagellaten blieben nach einmaliger Übertragung lebenslang ein Bestandteil der Darmflora und wurden über mehrere Generationen auch an die Nachkommen weitergegeben. Eine Schädigung der Darmwand war nicht erkennbar. Allerdings führte die Besiedlung dazu, dass die Tiere anfälliger für Krebs und entzündliche Darmerkrankungen wurden.

Im menschlichen Darm identifizierten die Forscher Protozoen der Spezies Dientamoeba fragilis als die am ehesten mit Tritrichomonas musculis vergleichbare Flagellatenart. Sie ließen sich in elf von 96 Stuhlproben aus unterschiedlichen Erdteilen nachweisen. Ob aber dieser Darmkeim den Menschen auch vor Darminfektionen schützt, ist noch nicht untersucht. Die Autoren schließen aus ihren Ergebnissen, dass eine Darmbesiedlung durch Protozoen wie Dientamoeba fragilis und Tritrichomonas musculis mit Vor- und Nachteilen für den Wirt verbunden ist. Die Aktivierung des Immunsystems hilft einerseits bei der Abwehr bakterieller Erreger, andererseits erhöht sich damit das Risiko von chronisch entzündlichen Erkrankungen und Krebs. Die weitere Erforschung von Protozoen der Darmflora, sagt Merad, könnte demnach auch dazu beitragen, neue Therapien gegen diese Krankheiten oder Vorsorgemaßnahmen zu entwickeln.

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