Prost! – Wild lebende Schimpansen genießen Alkohol

Mit selbst hergestellten Werkzeugen stibitzen die Affen gegorenen Palmensaft aus Sammelbehältern
Auch bei Schimpansen hat Alkohol keine abschreckende Wirkung beim Getränkekonsum.
Auch bei Schimpansen hat Alkohol keine abschreckende Wirkung beim Getränkekonsum.
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Oxford (Großbritannien) - Nach der „Hypothese vom betrunkenen Affen“ hat sich im Lauf der menschlichen Evolution eine Vorliebe für alkoholhaltige Säfte als vorteilhaft erwiesen. Das würde die Mutation eines Gens bei einem gemeinsamen Vorfahren von Menschenaffen und Menschen erklären: Denn dadurch verstärkte sich die Aktivität eines Enzyms für den Alkoholabbau um ein Vielfaches. Auch Schimpansen verfügen über dieses mutierte Gen und könnten davon profitieren. Das bestätigen jetzt Beobachtungen britischer und japanischer Biologen. Sie haben erstmals über einen längeren Zeitraum dokumentiert, dass wild lebende Schimpansen gewohnheitsmäßig Alkohol konsumieren können. Die Affen stellten Werkzeuge aus Blättern her, um sie als Kelle oder Schwamm zu benutzen. Damit entnahmen sie aus Auffangbehältern, die Menschen in den Baumkronen angebracht hatten, gegorenen Palmensaft, den sie sich offenbar schmecken ließen, berichten die Forscher im Fachjournal „Royal Society Open Science”. Ob die Schimpansen den süßen Saft trotz oder gerade wegen seines Alkoholgehalts von bis zu sieben Prozent trinken, ist allerdings noch nicht ganz geklärt.

„Unsere Ergebnisse zeigen eindeutig, dass Alkohol diese Schimpansen jedenfalls nicht von der Nahrungsaufnahme abschreckt“, schreiben die Biologen um Kimberley Hockings von der Oxford Brookes University. Während eines Zeitraums von 17 Jahren beobachteten sie eine Gruppe von 26 Schimpansen in der Nähe des Ortes Bossou im westafrikanischen Guinea. Die einheimische Bevölkerung nutzt die dort wachsenden Palmen (Raphia hookeri), um Palmwein zu gewinnen. Dazu zapfen sie die Pflanzen in der Baumkrone an und sammeln den auslaufenden Zuckersaft in angehängten Plastikbehältern, die morgens und nachmittags geleert werden. In der Flüssigkeit setzt sehr schnell eine spontane Gärung ein und erzeugt ein Getränk, das durchschnittlich drei Volumenprozent Äthanol enthält.

Da die Menschen die Palmen nicht ständig bewachen können, gelingt es den Schimpansen von Zeit zu Zeit immer wieder, davon zu naschen. Um das Getränk aus der schmalen Öffnung entnehmen und zum Mund führen zu können, benötigen sie Werkzeuge: Deshalb stellen sie aus Blättern Schöpfkellen oder Schwämme her, mit denen sie etwa neunmal pro Minute einen Schluck trinken, und das bis zu 30 Minuten lang. Dabei konsumiert ein Affe im Schnitt einen Liter gegorenen Saft, inklusive 30 Milliliter Äthanol. Männchen wurden etwas öfter beim Zechen beobachtet als Weibchen. Was die eingeflößte Saftmenge pro Person angeht, gab es aber keinen Unterschied zwischen den Geschlechtern. Die Forscher stellten fest, dass insgesamt nur 13 der 26 Affen Palmwein tranken, einige davon häufiger als andere. Gelegentlich erweckte ein Schimpanse nach ausgiebigem Alkoholgenuss den Eindruck, berauscht zu sein. Manche legten sich nach dem Trinken hin. Erst ein Experiment, bei dem die Schimpansen vor die Wahl gestellt werden, Palmensaft mit oder ohne Alkohol zu trinken, könnte eindeutig klären, ob ihnen das alkoholische Getränk tatsächlich besser schmeckt als der reine Zuckersaft.

Mehr auf dem Boden als auf den Bäumen lebende gemeinsame Vorfahren von Mensch und Schimpanse haben möglicherweise häufiger auch überreifes, bereits angegorenes Fallobst aufgesammelt und als Nahrung genutzt. Daher könnte es von Vorteil gewesen sein, Alkohol zu tolerieren oder ihn als zusätzliche Energiequelle zu nutzen, spekulieren die Biologen. Vielleicht begünstigte auch die appetitanregende Wirkung des Alkohols eine entsprechende Anpassung des Stoffwechsels während der Evolution. Das könnte die Mutation des Gens erklären, die die Aktivität des alkoholabbauenden Enzyms Alkohol-Dehydrogenase um das 40-Fache verstärkte.

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