Probiotische Bakterien: Warum manche bleiben und andere nicht

Eine Therapie von Darmerkrankungen durch Einnahme von Bakterien ist nur dann erfolgreich, wenn sie durch Auswahl der Keime individuell auf die Darmflora des Patienten abgestimmt ist
Probiotische Nahrungsergänzungsmittel enthalten lebensfähige Bakterien in hoher Konzentration.
Probiotische Nahrungsergänzungsmittel enthalten lebensfähige Bakterien in hoher Konzentration.
© Shutterstock, Bild 372340783
Edmonton (Kanada) - Es ist schwierig, eine massiv gestörte Darmflora wieder zu normalisieren. Bisher war es nicht möglich, sogenannte probiotische, also gesundheitsfördernde Bakterien dauerhaft im Darm von Patienten anzusiedeln. Das könne nur dann gelingen, wenn eine solche Therapie personalisiert erfolgt und ökologische Kriterien berücksichtigt, berichten jetzt kanadische Forscher. Wenn beispielsweise durch eine antibiotische Behandlung einzelne Keimarten im Darm „ausgestorben“ sind, müssten genau diese Keime wieder in das gestörte Ökosystem eingeführt werden. Dazu sei es aber zunächst erforderlich, für jeden Patienten zu ermitteln, welche Keime fehlen und welche ökologische Nischen demnach neu zu besetzen sind, schreiben die Wissenschaftler im Fachblatt „Cell Host and Microbe“. An ihrer Studie nahmen keine Patienten, sondern nur gesunde Menschen teil. Die verabreichten Bifidobakterien siedelten sich lediglich bei einem Teil der Probanden dauerhaft im Darm an, nämlich bei denen, die nur sehr geringe Mengen dieser Spezies beherbergten. Eine erfolgversprechende Therapie mit probiotischen Bakterien erfordere daher eine individuelle Analyse der Darmbakterien und entsprechende Auswahl der geeigneten Keimarten.

„Wir betrachten die Gesamtheit der Darmbakterien als ein komplexes Ökosystem, dessen Zusammensetzung durch ökologische Prozesse streng reguliert ist“, sagt Jens Walter von der University of Alberta in Edmonton, der Leiter des Forscherteams. „Anstatt Erdbeeren in den Regenwald zu pflanzen, verpflanzen wir eine echte Dschungelpflanze, die viel besser an dieses Ökosystem angepasst ist.“ So enthielten die meisten kommerziellen Präparate probiotischer Bakterien Lactobacillus- oder Bifidobacterium-Arten, die gar nicht zum Kernbestandteil der menschlichen Darmflora zählen. Diese Bakterien hätten zwar im Darm eine hohe Überlebensrate während der Zeit, in der sie eingenommen werden. Sie seien aber schon zwei Wochen nach Abbruch der Einnahme nicht mehr als Darmbewohner nachweisbar.

Die Forscher wählten für ihre Studie einen bestimmten Stamm von Bifidobacterium longum. Dieser unterschied sich in einigen Genen von anderen Varianten derselben, im Darm gesunder Menschen häufig vorkommenden Spezies. Zwei Wochen lang nahmen 23 gesunde Testpersonen täglich ein Präparat mit jeweils 10 Milliarden der Bakterien ein. DNA-Analysen von Stuhlproben während des Behandlungszeitraums ergaben bei allen Probanden, dass lebende Bifidobacterium longum-Bakterien in den Darm gelangten. Es traten keine Nebenwirkungen auf. Nach dem Ende der Behandlung nahm die durchschnittliche Keimzahl in unterschiedlichem Ausmaß ab. Bei einem Drittel der Testpersonen ließen sich die Bakterien noch mindestens sechs Monate lang im Stuhl nachweisen. Bei den anderen waren sie nach ein bis vier Wochen schon wieder verschwunden.

Demnach gibt es Menschen, in deren Darm sich Bifidobacterium longum dauerhaft ansiedeln lässt, und andere, bei denen das nicht gelingt. Darmkeimanalysen vor der probiotischen Behandlung zeigten: Die Besiedlung war dann erfolgreich, wenn der Darm nur eine geringe Zahl an Bifidobacterium longum-Bakterien beherbergte. Andernfalls konnten sich neu hinzukommende Bakterien dieser Spezies nicht auf Dauer gegen die Überzahl der bereits vorhandenen Artgenossen behaupten. Ist die ökologische Nische einer Keimart besetzt, haben Neuankömmlinge keine Chance. Eine Behandlung mit probiotischen Bakterien setzt demnach eine personalisierte Therapie voraus, die es ermöglicht, genau die fehlenden Darmkeime zu verabreichen.

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