Poröses Material als Molekülschleuder

Unter Druck gibt Substanz Gasmoleküle ab - Effekt könnte für pneumatische Module und in chemischen Trennverfahren genutzt werden
 Extrem poröses Material mit negativer Gasadsorption: Dieser metallorganische Komplex schleudert bei erhöhtem Druck Gasmoleküle heraus.
Extrem poröses Material mit negativer Gasadsorption: Dieser metallorganische Komplex schleudert bei erhöhtem Druck Gasmoleküle heraus.
© S. Kaskel et al. TU Dresden
Dresden - Poröse Substanzen nehmen immer mehr Gas auf, wenn der Umgebungsdruck zunimmt. Über diese klassische, positive Gasadsorption kann etwa Kohlendioxid aus Kraftwerksabgasen abgetrennt werden. Nun entdeckte eine deutsch-französische Forschergruppe ein neuartiges Material, das sich genau umgekehrt verhielt: Je höher der Druck, desto mehr Gas setzte die Substanz frei. Wie die Forscher in der Fachzeitschrift „Nature“ berichten, könnte dieser überraschende Effekt einer negativen Gasadsorption für mikropneumatische Module, in Rettungssystemen wie Airbags oder in Trennverfahren genutzt werden.

„Wird der Druck erhöht, schleudert das Material bereits gefangene Gasmoleküle heraus“, sagt Stefan Kaskel von der Technischen Universität Dresden. Eigentlich suchten Kaskel und seine Kollegen eine neue poröse Substanz, die möglichst viel Methan speichern konnte, um als sicherer Tank für Autos mit Gasantrieb zu dienen. Diese fanden sie in einem metallorganischen Netzwerk – DUT-49 genannt -, in dem sich große organische Molekülgruppen um Kupferatome anordneten. Bei Raumtemperatur funktionierte DUT-49 auch wie erwartet und konnte - unter 110 bar Druck gesetzt - in seiner extrem porösen Struktur mehr als 300 Gramm Methan pro Kilogramm Material aufnehmen.

Abgekühlt auf -162 Grad folgte die Überraschung. Bei etwa 100 bar nahm DUT-49 kein Methan mehr auf, sondern setzte plötzlich das bereits eingefangene Gas frei. Die Folge war eine zusätzliche Druckerhöhung um 22 bar. Diesen Versuch wiederholten Kaskel und Kollegen danach mit Butangas. Dieses Gas wurde bei zunehmenden Druck sogar schon bei Raumtemperatur wieder ausgestoßen.

Mit Synchrotronstrahlung gingen die Forscher der Ursache für dieses untypische Verhalten, eine negative Gasadsorption, auf den Grund. Dabei entdeckten sie, dass sich unter Druck die innere Struktur von DUT-49 fundamental wandelte. Das Material zog sich stark bis auf das halbe Volumen zusammen. Für die bereits gefangenen Gasmoleküle war danach kein Platz mehr und sie wurden schnell ausgestoßen. Dieser Effekt war reversibel, so dass sich bei niedrigerem Druck und höherer Temperatur wieder die ursprüngliche Struktur ausbildete.

„Denkt man dieses Phänomen konsequent weiter, so handelt es sich hier um Materialien, die selbstständig den Druck eines Gases verstärken können“, sagt Kaskel. Ähnlich einem Vulkaneffekt könne ein kleiner Anstoß eine starke Gaseruption aus einem derartigen Material auslösen. So kann sich Kaskel einige Anwendungen für diesen Effekt vorstellen. Kontrolliert ließe sich der Druck in Reaktionsprozessen durch mikropneumatische Module erhöhen, die bei Bedarf ihre gespeicherten Gasmoleküle herausschleudern. Und es ist nicht ausgeschlossen, dass dieser Effekt auch zum Aufblasen von Schwimmwesten oder von Airbags genutzt werden könnte.

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