Pop-Hits spiegeln die Gefühlslage der Nation

Die vorherrschenden Themen im Text von Chartstürmern zeigen die aktuelle emotionale Befindlichkeit einer großen Käufergruppe
Melodien und Rhythmus beeinflussen die meisten Menschen auf nicht-rationalem Wege
Melodien und Rhythmus beeinflussen die meisten Menschen auf nicht-rationalem Wege
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Raleigh (USA) - Liebe, Herzschmerz und Wunschdenken – solche Themen kommen in erfolgreicher Popmusik immer wieder vor. Doch die Schwerpunkte verschieben sich messbar mit der Stimmungslage einer Gesellschaft, berichten jetzt US-Forscher im „Journal of Advertising Research“. Das zeigt ihre Analyse von TopTen-Hits über 50 Jahre hinweg. Eingängige Themen in der Musik könnten somit Werbern den Zugang zu ihren Kunden erleichtern. Umgekehrt könnten aber auch Songschreiber mit diesen Erkenntnissen ihren Erfolg steigern.

„Unsere Arbeit zeigt, dass es ein begrenztes Feld von weithin anerkannten Motiven gibt, die an den Kern menschlicher Erfahrungen reichen und bei einer großen und vielfältigen Gruppe von Konsumenten Anklang findet“, erklärt Marketingprofessor David Henard von der University of North Carolina. Sein Team hatte die „Hot 100“-Listen des Musikbranchenblatts „Billboard“ durchforstet und alle Songs aufgelistet, die zwischen Januar 1960 und Dezember 2009 jemals Platz 1 dieser Liste erreichte. Insgesamt kamen so knapp eintausend Stücke zusammen, die also unzweifelhaft den Geschmack vieler Menschen getroffen hatten – von „El Paso“ von Marty Robbins bis zu „Empire State of Mind“ von Jay-Z und Alicia Keys.

All diese Songtexte durchsuchten Henard und sein Team mithilfe einer Software nach gemeinsamen oder sich wiederholenden Motiven. Und tatsächlich tauchten zwölf Themen konstant immer wieder auf: Verlust und Verlangen, Trennung und Schmerz, Verzweiflung, Verwirrung und Ermattung, Nostalgie und Realitätsflucht, aber auch Bestreben, Inspiration und Rebellion. „Diese Motive spiegeln sehr viel mehr das Emotionale als das Rationale“, so Henard, „was bestätigt, dass Kommunikation emotionaler Themen ein Massenpublikum anspricht.“

Überraschend klar konnten die Marketingforscher an den Pop-Hits aber auch ablesen, wie sich die Gefühlslage der US-Gesellschaft mit der Zeit wandelte. Zwar waren alle zwölf Motive in den fünf Jahrzehnten durchgehend ein Thema – doch „Rebellion“, was vor allem in den 1960ern und -70ern auftauchte, schaffte es im Jahrzehnt darauf nicht mal unter die TopTen. Auch „Nostalgie“ und „Schmerz“ beherrschte die 1960er Jahre, in den 1980ern waren es vorwiegend „Verlust“, „Verwirrung“ und „Bestreben“. „Verzweiflung“ und „Inspiration“ hingegen gelangten erstmals ab 2000 an die Spitze der Liste, gemeinsam mit dem wieder auftauchenden „Schmerz“. Henard vermutet hier einen Zusammenhang mit den kulturellen Effekten der Anschläge des 11. September.

Letztendlich wollte das Team aber weniger historische Stimmungslagen erforschen als vielmehr Hinweise für erfolgreichere Werbekampagnen finden: „Hit-Songs geben wieder, worauf Konsumenten reagieren, und diese Information können Werber für Botschaften nutzen, die die Aufmerksamkeit der Menschen wecken.“ Das solle zwar nicht heißen, dass ab sofort jeder Werbespot ein oder mehrere der zwölf Schlüsselmotive aufgreifen sollen – doch wer sich an Popsongs orientiere, könne vermutlich besser zu möglichen Kunden durchdringen. An Beispielen wie Coca Cola, Dove, McDonalds oder auch Cadillac untermauern Henard und Rosetti ihre Erkenntnisse. Wichtig sei es für Werbung, statt Botschaften auszusenden besser emotional zu kommunizieren.

Unberücksichtigt blieben bei dieser Untersuchung die musikalischen Aspekte der Popsongs – der Einfluss von Rhythmus, Melodie, Stil oder Tonart. Trotzdem glauben die Forscher, auch das Hit-Potenzial von Popsongs grob vorhersagen zu können. So könnten dann auch erfolglose Musiker von ihren Erkenntnissen profitieren.

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