Pilz-Giganten sollen Altöl verseuchte Böden säubern

Leipziger Umweltforscher entschlüsseln Transportverhalten von schwer abbaubaren Schadstoffen in weit verzweigten Pilzgeflechten
Mikroskopische Aufnahme des Myzel bildenden Boden-Mikroorganimus Pythium ultimum welcher Phenanthren in seinem Zellinnern transportiert: Overlay eines Durchlicht- und Fluoreszenzbildes von Pythium ultimum, dessen Hyphen Phenanthren-angereicherte Vesikel (in blau) enthalten (Balkenlänge: 5 Mikrometer)
Mikroskopische Aufnahme des Myzel bildenden Boden-Mikroorganimus Pythium ultimum welcher Phenanthren in seinem Zellinnern transportiert: Overlay eines Durchlicht- und Fluoreszenzbildes von Pythium ultimum, dessen Hyphen Phenanthren-angereicherte Vesikel (in blau) enthalten (Balkenlänge: 5 Mikrometer)
© Susan Foß/UFZ
Leipzig - In Wurzeltiefe erstrecken sich über viele Quadratkilometer die wohl größten Organismen auf der Erde: Pilze. Entlang der weit verzweigten Geflechte im Boden können nicht nur Bakterien große Strecken zurücklegen. Auch schwer abbaubare und krebserregende Schadstoffe können mit den Netzwerken auf natürliche Weise transportiert werden. Wie die Leipziger Forscher im Fachblatt „Environmental Science & Technology“ berichten, könnten diese lebenden Pilz-Pipelines zur Sanierung belasteter Böden im Umfeld von Raffinerien, Kokereien oder stillgelegten Tankstellen und Flugplätzen eingesetzt werden.

Den Abbau der sogenannten PAKs – kurz für polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe – können spezielle Bakterien übernehmen, die effizient die organischen Verbindungen zu unschädliche Moleküle verdauen können. „Doch das Problem ist, dass die Bakterien die Schadstoffe oft gar nicht erreichen", sagt Lukas Y. Wick, Leiter der Studie am Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig. Nun sollen auf zwei Wegen die Netzwerke aus Abertausenden von Pilzfäden, den sogenannten Hyphen, helfen können. Zum einen können die Bakterien an der Oberfläche der Hyphen zu den Schadstoffen wandern. Zum anderen können die Substanzen selbst in die Hyphen eindringen und so über weite Strecken transportiert werden.

Diese Fähigkeit der Pilzgeflechte entdeckten Wick und Kollegen in ihrem Labor. Sie züchteten dazu eine Kultur vom Pseudopilz Pythium ultimum und ließen ihn in mehreren Verzweigungen wachsen. An einem Ende trugen sie darauf den polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoff Phenanthren auf. Nach einiger Zeit konnten sie genau diese Substanz auch in anderen Bereichen des Test-Netzwerks nachweisen. „Die Ergebnisse waren verblüffend", sagt Wick. Innerhalb weniger Stunden war der Kohlenwasserstoff von einem Ende der Versuchsanordnung zum anderen gewandert - zehn- bis hundertmal schneller, als er das durch einfache Diffusion hätte schaffen können. Selbst Luftspalten, die die natürlichen Poren im Boden nachstellen sollten, konnten die Schadstoffe dabei problemlos überwinden. Pro Stunde transportierte eine einzelne Hyphe bis zum 600-fachen Gewicht eines einzelnen Bakteriums.

Unter dem Mikroskop offenbarte sich der Mechanismus, der die Grundlage für diesen Transport bildet. So wanderten die Schadstoff-Moleküle durch die Zellwand ins Innere der Hyphen und wurden dort in kleine Bläschen eingeschlossen. Diese Bläschen pumpte der Pseudopilz dann aktiv durch sein gesamtes Netzwerk. Die Forscher haben den Versuch mit etlichen verschiedenen PAK-Substanzen wiederholt und alle machten sich auf die Reise. Je kleiner ein Molekül dabei war, desto effizienter wurde es transportiert.

„Wir wollen jetzt ins Feld gehen und diesen Transport in der Praxis überprüfen“, sagt Susan Foß, die an diesem Projekt mitarbeitet. Der Feldtest im Umland von Berlin werde derzeit vorbereitet. Doch wie sollen die PAK-abbauenden Bakterien an die Schadstoffe im Pilzgeflecht herankommen? Laut Foß sei dies kein größeres Problem. Denn wenn viele Bakterien die Schadstoffe verdauten, sinke deren Konzentration im Boden. Genau an diesen Stellen würden die Moleküle wieder aus dem Pilzgeflecht heraus diffundieren. Sollte der Pilotversuch klappen, stünde eine wirksame und umweltschonende Methode zur Sanierung von PAK-verseuchten Böden zur Verfügung, die auch international an vielen Orten eingesetzt werden könnte.

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Quelle: „Mycelia Promote Active Transport and Spatial Dispersion of Polycyclic Aromatic Hydrocarbons“, Shoko Furuno, Susan Foss et al.; Environ. Sci. Technol. 2012, 46, 5463-5470, DOI: 10.1021/es300810b



 

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