Permanent aggressive Schimpansen werden häufiger Vater

Männchen, die die Weibchen ihrer Gruppe beständig sexuell bedrängen, zeugen häufiger Nachwuchs
Permanent aggressives Verhalten den Weibchen gegenüber lässt Schimpansenmännchen häufiger zum Vater werden.
Permanent aggressives Verhalten den Weibchen gegenüber lässt Schimpansenmännchen häufiger zum Vater werden.
© Joseph Feldblum
Durham (USA) - Sexuelle Nötigung zahlt sich aus – zumindest für Schimpansenmännchen. Denn hochrangige Männchen, die Weibchen ständig, also auch außerhalb von deren paarungsbereiten Phasen, aggressiv drangsalieren, zeugen deutlich mehr Nachwuchs als ihre netteren Artgenossen. Das haben US-Biologen bei einer Schimpansengruppe in Tansania beobachtet, die seit Jahrzehnten unter wissenschaftlicher Beobachtung steht und bei denen die Verwandtschaftsverhältnisse sehr gut bekannt sind. Aufdringliches und tyrannisches Verhalten während der fruchtbaren Tage selbst führt dagegen zwar zu häufigerer Paarung, beeinflusst jedoch nicht den Fortpflanzungserfolg. Ihre Studie, berichten die Forscher im Fachblatt „Current Biology“, liefere ihres Wissens zufolge den ersten genetischen Beweis dafür, dass sexuelle Nötigung eine Anpassungsstrategie bei einem sozialen Säugetier sein kann.

„Diese Ergebnisse scheinen nahezulegen, dass sich durch biologische Selektion diejenigen Männchen durchsetzen, die sich Weibchen gegenüber aggressiv verhalten, um ihren Vaterschaftserfolg zu erhöhen“, sagt Joseph Feldblum von der Duke University. Dies erkläre, warum Aggression den Weibchen gegenüber in so vielen Schimpansenpopulationen zu beobachten ist. Die Biologen hatten Datensätze analysiert, die über einen Zeitraum von 17 Jahren bei einer Gruppe von Langhaarschimpansen (Pan troglodytes schweinfurthii) im Gombe National Park gesammelt worden waren. Die Daten umfassten sowohl Angaben zu Verhalten als auch zur Genetik und damit zu den Vaterschaftsverhältnissen der Gruppenmitglieder. Feldblum und seine Kollegen suchten dabei nach möglichen Auswirkungen der männlichen Aggression gegenüber den Weibchen. Anhand der genetischen Daten verglichen sie dazu, welche Effekte das aggressive Verhalten in den unterschiedlichen Abschnitten des weiblichen Fruchtbarkeitszyklus hatte. Die fruchtbare und damit paarungsbereite Zeit eines Weibchens ist leicht auszumachen, da die Geschlechtsteile währenddessen eine deutliche Schwellung zeigen.

Die Ergebnisse bescheinigen den echten Machos unter den Schimpansen quasi einen Freibrief für rüpelhaftes Verhalten, denn ihr Fortpflanzungserfolg spricht für sich: Männchen, die sich den Weibchen der Gruppe in deren nichtfruchtbaren Periode aggressiv gegenüber verhielten, hatten insgesamt deutlich mehr Nachkommen als Artgenossen, die in dieser Hinsicht zurückhaltender waren. Das galt ganz besonders für hochrangige Männchen. Umgekehrt hatten diejenigen Männchen, die nur während der Paarungsbereitschaft der Weibchen aggressiv waren, zwar häufiger Geschlechtsverkehr, jedoch ohne ihre Chancen auf Vaterschaft zu erhöhen.

Je häufiger sich ein Männchen paart, desto größer sind generell seine Chancen auf Vaterschaft. Dass diese Wahrscheinlichkeit bei denjenigen, die besonders aggressiv gegenüber paarungsbereiten Weibchen waren, praktisch aber nicht höher war, führen die Biologen darauf zurück, dass die Fruchtbarkeit des Weibchens innerhalb der paarungsbereiten Phase schwankt. Somit erhöht sich zwar der Paarungserfolg, allerdings nur in den Abschnitten der Zyklusphase, in denen das Weibchen nicht tatsächlich fruchtbar ist. In den entscheidenden fruchtbaren Phasen der Paarungsbereitschaft werden die Weibchen somit offenbar von den permanent aggressiven Männchen in Beschlag genommen.

Trotz enger evolutionärer Verwandtschaftsverhältnisse zum Menschen sind die Ergebnisse aufgrund deutlicher Unterschiede in Werbungsverhalten und Partnerwahl kaum übertragbar. „Der offenkundige Unterschied zwischen dem Paarungsverhalten von Schimpansen und Menschen liegt darin, dass sich Schimpansenweibchen während der meisten Zyklen promiskuitiv mit den meisten männlichen Gruppenmitgliedern paaren, während menschliche Frauen das nicht tun“, erläutert Feldblum. Daher sei das System, das sich Nötigung seitens der Männchen lohnt, beim Menschen nicht vorhanden und somit zahle sich dieses Verhalten nicht aus. In weiteren Studien würde Feldblum gerne herausfinden, ob manche Männchen ihren Vaterschaftserfolg erhöhen, indem sie nett und zuvorkommend sind – etwa weil sie sich Zeit für die Fellpflege nehmen.

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