Perfide Vögel: Angst vor Räuber treibt Weibchen in die Arme der Männchen

Australische Vogelmännchen nutzen die ängstliche Aufmerksamkeit der Weibchen nach Raubvogelschreien für ihre Werbungsgesänge
Ein Türkisstaffelschwanzpärchen im Süden Australiens
Ein Türkisstaffelschwanzpärchen im Süden Australiens
© Mitchell Walters/University of Chicago
Chicago (USA) - Eine beliebte Taktik bei Teenagern - man locke die Angebetete in einen Horrorfilm und erhöhe damit seine Chance, dass sie sich Schutz suchend an einen schmiegt. Diesen "Scary-Movie-Effekt" nutzen aber offenbar nicht nur Menschen. Bei australischen Sperlingsvögeln haben zwei amerikanische Biologen eine ganz ähnliche Strategie beobachtet: Die Männchen des Türkisstaffelschwanzes singen ein spezielles Lied immer dann, wenn die Rufe eines ihrer Räuber zu hören sind, die des Graurücken-Krähenwürgers. Es scheint, dass sie die Laute des Räubers als Signal nutzen, um die ängstliche Aufmerksamkeit der Weibchen gezielt auf ihren eigenen Gesang zu lenken, berichten die Forscher im Fachblatt "Behavioral Ecology".

"Wir haben gezeigt, dass Weibchen tatsächlich besonders aufmerksam werden, nachdem sie die Rufe des Graurücken-Krähenwürgers gehört haben", erläutert Emma Greig von der University of Chicago, die mittlerweile an der Cornell University arbeitet. "Es scheint also, dass männliche Türkisstaffelschwänze vielleicht singen, wenn sie wissen, dass sie ein aufmerksames Publikum haben, und diese Strategie könnte in der Tat funktionieren." Türkisstaffelschwänze (Malurus splendens) leben zwar sozial monogam mit einem Partner bis ans Lebensende, sexuell aber leben sie promiskuitiv. Das heißt, sie paaren sich vorwiegend mit Vögeln außerhalb ihrer festen Partnerschaft. Daher sind diese Sperlingsvögel für Verhaltensforscher ein sehr spannendes Studienobjekt. Biologen hatten bereits zuvor beobachtet, dass die Rufe des Graurücken-Krähenwürgers (Cracticus torquatus), einem der primären Raubfeinde des Türkisstaffelschwanzes, wiederholt zusammen mit einem bestimmten Ruf der Sperlingsvögel vorkommen, der als Typ-II-Lied bezeichnet wird. Warum die Männchen ihr Lied aber zu dem des Raubfeindes gesellen und damit riskieren, ihre Position zu verraten, war bislang unklar.

Um dem auf den Grund zu gehen, hatten Greig und ihr Kollege Stephen Pruett-Jones weiblichen Türkisstaffelschwänzen in freier Wildbahn unterschiedliche Kombinationen der Aufnahmen von Liedern vorgespielt: das Typ-I-Lied, das eher territoriale Funktionen zu haben scheint, ebenso wie das Typ-II-Lied jeweils mit und ohne vorangehende Laute des Raubvogels. Die Biologen beobachteten, dass die Weibchen dem Gehörten die größte Aufmerksamkeit widmeten, wenn das Typ-II-Lied auf die Raubvogel Rufe folgten. Offenbar nutzen die Männchen die Räuber-Rufe als eine Art Aufmerksamkeitssignal.

"Alle Männchen, unabhängig von Alter, Farbe oder anderen Anzeichen individueller Qualitäten, geben Typ-II-Lieder mit ähnlicher Häufigkeit zum Besten, was nahelegt, dass Singen, nachdem ein Räuber gesungen hat, kein so kostspieliges Verhalten ist, wie man sich vielleicht vorstellen könnte", sagt Greig. Einen großen Nachteil scheint die auf den ersten Blick auffällige Taktik demnach nicht zu haben. "Im Gegensatz zu dem, was man erwarten mag, scheint das Singen nach dem Ruf des Raubvogels tatsächlich sogar ziemlich sicher zu sein: Die männlichen Türkisstaffelschwänze wissen, wo sich der Räuber befindet, und wissen auch, dass er im Moment nicht aktiv jagt, sondern stattdessen aus Leibeskräften singt."

(c) Wissenschaft aktuell
Quelle: "Danger may enhance communication: predator calls alert females to male displays", Greig, E., Pruett-Jones, S.; Behavioral Ecology (Vol. 21 (6), S. 1360-1366, DOI: 10.1093/beheco/arq155)


 

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