Optimierter Ballaststoff gegen Übergewicht

Aus chemisch veränderten Polysacchariden produzieren Bakterien verstärkt ein Gärprodukt, das zwei Sättigungshormone freisetzt und die Fettspeicherung hemmt
Haferflocken enthalten einen großen Anteil an löslichen Ballaststoffen.
Haferflocken enthalten einen großen Anteil an löslichen Ballaststoffen.
© Shutterstock, Bild 161290286
London (Großbritannien) - Ballaststoffe sind nicht nur deshalb gesund, weil sie die Darmtätigkeit anregen und den Blutzuckerspiegel senken. Sie helfen auch, das Körpergewicht zu regulieren. Lösliche Ballaststoffe werden zum Teil durch Bakterien im Dickdarm abgebaut. Dabei entstehen Gärprodukte wie Propionsäure, die eine Freisetzung von appetithemmenden Hormonen anregen. Britische Forscher haben jetzt für Ernährungsstudien einen chemisch veränderten Ballaststoff eingesetzt. Bei dessen Abbau erzeugen die Darmkeime besonders große Mengen an Propionsäure. Damit ist es gelungen, Appetit und Gewichtszunahme sowie die Speicherung von Bauchfett bei den Testpersonen zu verringern, berichten die Wissenschaftler im britischen Fachblatt „Gut“. Ob sich der speziell entwickelte Ballaststoff als Nahrungsergänzungsmittel für Übergewichtige eignet, müssen Langzeitstudien noch zeigen.

„Unsere Studien liefern erstmals einen direkten Hinweis darauf, dass Propionsäure im Dickdarm kurzzeitig die Kalorienzufuhr reduzieren kann und über einen längeren Zeitraum eine Zunahme des Körpergewichts bei Menschen bremst“, schreiben die Forscher um Gary Frost vom Imperial College London. Ihre Ergebnisse bestätigen Untersuchungen an Mäusen, wonach die Darmflora die Regulation des Körpergewichts und das Risiko für Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes und Fettleibigkeit stark beeinflusst. Die meist pflanzlichen Ballaststoffe gelangen unverdaut in den Dickdarm. Während die wasserunlöslichen Anteile wie Zellulose unverändert ausgeschieden werden, bauen Bakterien wasserlösliche Bestandteile wie Inulin teilweise ab. Dabei entstehen kurzkettige Fettsäuren, hauptsächlich Propionsäure (Propionat), Buttersäure (Butyrat) und Essigsäure (Acetat). Insbesondere das Propionat regt spezielle Darmzellen dazu an, zwei appetithemmende Hormone (PYY und GLP-1) freizusetzen.

Frost und sein Team zeigten zunächst in Experimenten mit Zellkulturen, dass Propionat auch bei menschlichen Darmzellen die Produktion der beiden Hormone verstärkt. In einer ersten Studie mit Menschen wollten die Forscher dann gezielt den Propionatgehalt im Dickdarm von Testpersonen erhöhen. Als Transportmittel nutzten sie Inulin, ein Gemisch aus Polysacchariden, an das durch chemische Esterbildung Propionsäure angelagert worden war. Die Probanden verzehrten zehn Gramm des Inulin-Propionat-Esters, aus dem erst beim bakteriellen Abbau im Dickdarm große Mengen an Propionat freigesetzt wurden. Wenn man das Propionat in reiner Form direkt verabreichen würde, könnte es nicht in den Dickdarm gelangen, da es vorher resorbiert würde. Nach Konsum des propionathaltigen Ballaststoffs nahmen die Testpersonen während eines anschließenden Buffets 14 Prozent weniger Kalorien zu sich als nach Verzehr des chemisch unveränderten Ballaststoffs. Außerdem führte die Propionatzufuhr zu einem Anstieg des Blutspiegels an PYY und GLP-1, der mehrere Stunden lang erhöht blieb. Wollte man einen ähnlich großen Effekt allein durch Inulin oder andere natürliche Ballaststoffe erzielen, müssten unzumutbar große Mengen davon verzehrt werden, erklären die Autoren.

An einer zweiten Studie nahmen 49 übergewichtige Erwachsene im Alter zwischen 40 und 65 Jahren teil, wovon eine Gruppe 24 Wochen lang täglich zehn Gramm Inulin-Propionat-Ester einnahm; die anderen konsumierten die gleiche Menge unverändertes Inulin. Der Propionatzusatz verringerte die Zunahme des Körpergewichts, die Menge an Bauchfett und die Fettablagerung in der Leber. Dieser Langzeiteffekt des Propionats war allerdings nicht mit einem dauerhaft erhöhten Spiegel der Sättigungshormone verbunden. Die Forscher vermuten, dass es noch einen anderen Mechanismus gibt, der die durch Propionat verringerte Nahrungsaufnahme erklärt. Es wäre beispielsweise möglich, dass Propionat auch den Energieverbrauch steigert, indem verstärkt Fett abgebaut wird.

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