Nützliche Parasiten: Wie Würmer Darmentzündungen verhindern

Infektionen mit Darmparasiten stimulieren das Immunsystem derart, dass die Vermehrung entzündungsfördernder Bakterien gehemmt wird
Wurminfektionen lassen sich durch die Eier der Parasiten im Stuhl nachweisen (links: Spulwurm, rechts: Peitschenwurm).
Wurminfektionen lassen sich durch die Eier der Parasiten im Stuhl nachweisen (links: Spulwurm, rechts: Peitschenwurm).
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New York (USA) - In unterentwickelten Ländern ist ein hoher Prozentsatz der Bevölkerung mit Würmern infiziert. Auf bisher unbekannte Weise schützen die Parasiten ihren Wirt vor Morbus Crohn und anderen chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen, die in den Industrieländern deutlich häufiger vorkommen. Amerikanische Mediziner haben jetzt herausgefunden, dass die Würmer die Zusammensetzung der Darmflora positiv beeinflussen. Wie Experimente mit Mäusen und Keimanalysen von infizierten Menschen vor und nach einer Wurmbehandlung ergaben, verändern die Parasiten die Keimzahlen zweier Gruppen von Darmbakterien. Die gesundheitsfördernde Verschiebung des Keimspektrums beruht darauf, dass die Wurminfektion das Immunsystem zur Produktion bestimmter Botenstoffe anregt, berichten die Forscher im Fachjournal „Science“.

„Wir konnten zeigen, dass Würmer Entzündungsreaktionen im Darm verringern können, indem sie das Wachstum schützender Darmkeime begünstigen, wodurch die Ausbreitung entzündungsfördernder Bakterien gehemmt wird“, erklären Ken Cadwell und seine Kollegen von der New York University School of Medicine. Ihre Ergebnisse stehen im Einklang mit der Hygiene-Hypothese. Danach stimuliert der bei niedrigem Hygienestandard häufige Kontakt mit Umweltkeimen das Immunsystem, so dass es seltener zu überschießenden Immunreaktionen und allergischen Erkrankungen kommt. Offenbar hat eine – oft symptomlose – Darminfektion durch Wurmparasiten eine vergleichbare positive Nebenwirkung: Die Infizierten erkranken seltener an chronisch-entzündlichen Darmkrankheiten.

Die Forscher begannen ihre Untersuchungen mit Mäusen, deren Darmschleimhaut aufgrund eines defekten Gens (Nod2) ähnliche Schäden zeigte, wie sie auch bei Morbus Crohn auftreten. Bei diesen Tieren machten Bacteroides vulgatus-Bakterien, die Entzündungen auslösen können, einen größeren Anteil der gesamten Darmflora aus als bei gesunden Mäusen. Dann infizierten die Wissenschaftler die Tiere mit Trichuris muris, einer mit dem Peitschenwurm verwandten Art von Fadenwürmern. Dadurch normalisierte sich allmählich die geschädigte Darmschleimhaut wieder, wobei verstärkt die Immunbotenstoffe Interleukin-4 und Interleukin-13 produziert wurden. Weitere Experimente bestätigten, dass diese Interleukine für eine Verringerung der Bacteroides vulgatus-Keimzahlen sorgten. Parallel dazu verstärkte sich die Vermehrung einer anderen Gruppe von Darmbakterien, der Clostridien, die entzündungshemmend wirken. Ähnliche Ergebnisse lieferten Infektionen mit dem Wurmparasit Heligmosomoides polygyrus.

Schließlich untersuchten die Forscher, inwieweit sich ihre Resultate auf den Menschen übertragen lassen. Dazu dienten Analysen der Darmkeime zweier Bevölkerungsgruppen in Malaysia. Mitglieder des Volkes der Orang Asli, die fern von größeren Städten lebten, waren zu 96 Prozent mit Würmern infiziert. Bei Bewohnern der Hauptstadt Kuala Lumpur waren es nur 5 Prozent. Tatsächlich hatten die Menschen mit Darmparasiten geringere Keimzahlen an Bacteroides-Bakterien. Und nach einer medikamentösen Behandlung der Wurminfektion erhöhte sich der Bacteroides-Anteil an der Darmflora, während die Clostridienzahl sank. Es gibt Hinweise darauf, dass bestimmte Varianten des Gens Nod2 die Anfälligkeit für Morbus Crohn erhöhen. Möglicherweise profitieren nur solche Patienten von einer Wurminfektion, nicht aber diejenigen mit normalem Nod2-Gen, schreiben die Autoren. Die neuen Ergebnisse könnten aber helfen, zumindest für diesen Teil der Betroffenen neue Behandlungsstrategien zu entwickeln.

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