Neues Kapitel der menschlichen Frühgeschichte aufgedeckt

Neue Analysetechnik ermöglicht es, rund 400.000 Jahre alte DNA früher Menschen wiederherzustellen und neue Thesen über deren verwandtschaftliche Beziehungen aufzustellen
Die Hominiden von Sima de los Huesos lebten vor etwa 400.000 Jahren
Die Hominiden von Sima de los Huesos lebten vor etwa 400.000 Jahren
© Javier Trueba, MADRID SCIENTIFIC FILMS
Leipzig - Ein nahezu unbekanntes Kapitel der menschlichen Evolution ist durch die Analyse des ältesten jemals gefundenen genetischen Materials von frühen Menschen aufgedekt worden. Untersuchungen an altem menschlichen Erbgut waren bisher auf Funde beschränkt gewesen, die nicht älter als etwa 100.000 Jahre sind. Leipziger Forscher konnten nun erstmals DNA aus Überresten rekonstruieren, die aus einer Zeit vor etwa 400.000 Jahre datieren. Sie gehören zu den mehreren tausend Knochenfunden in der unterirdischen Höhle Sima de los Huesos in Nordspanien. Frühere Forschungen hatten die freigelegten Knochen der Hominiden den direkten Vorfahren der Neandertaler oder des Homo heidelbergensis zugeordnet. Das deutsche Forscherteam zeichnet nun im Fachblatt „Nature“ eine andere mögliche Spur nach: Die jüngsten DNA-Analysen verweisen demnach auf große Ähnlichkeiten der Funde mit den Denisova-Menschen – einer Gruppe, die vor rund 40.000 Jahren im südlichen Sibirien lebte.

„Bislang konnte über Hunderttausende von Jahren erhaltene DNA nur in Regionen gefunden werden, in denen Permafrost herrschte“, schreibt Matthias Meyer vom Max Planck Institut für Evolutionsanthropologie in Leipzig. Erst kürzlich sei es nun aber mit Hilfe verbesserter Techniken gelungen, ein komplettes mitochondriales Genom eines Bären aus der Sierra de Atapuerca in Nordspanien zu gewinnen, obwohl es konstant einer Temperatur von mehr als 10 Grad Celsius ausgesetzt gewesen war. Motiviert durch dieses Ergebnis entnahmen Meyer und seine Kollegen auch Erbmaterial aus dem Oberschenkelknochen eines frühen Menschen, der vor etwa 400.000 in dieser Region gelebt hatte.

Unter Zuhilfenahme der neuen Methode gelang es den Forschern, die DNA aus den Knochen zu isolieren und daraus mitochondriale DNA-Moleküle in ihrer vollen Länge wiederherzustellen. Im Vergleich mit bereits gewonnenem Erbmaterial anderer früher Menschen zeigten sich die größten Ähnlichkeiten der Proben mit den Denisova hominins, den Denisova-Menschen, der vor rund 40.000 Jahren im Altai-Gebirge neben Homo sapiens und den Neandertalern als dritte, unabhängig von diesen beiden Arten dorthin eingewanderte Population der Gattung Homo lebte. Die Wissenschaftler um Meyer schätzen, dass sich die Entwicklungslinien des Denisova-Menschen und der Hominiden aus der Sima des los Huesos vor etwa 700.000 Jahren getrennt haben.

„Die frühen Hominiden aus Nordspanien zeigen eigentlich einige Ähnlichkeiten mit den Neandertalern. Darum ist der Fakt, dass sie und der Denisova-Mensch einen gemeinsamen Ahnen haben, überraschend“, schreiben Meyer und seine Kollegen. Den Forschern zufolge ist es möglich, dass eine bislang unbekannte Gruppe früher Menschen jenes Erbgut in die Population in Nordspanien gebracht hat, das dem des Denisova-Menschen ähnelt. Während des mittleren Pleistozäns, der Zeit, aus der auch die Menschen der Sima de los Huesos datieren, könnten in Europa mehrere Gruppen früher Menschen nebeneinander existiert haben. Die Wissenschaftler um Meyer hoffen, dass weitere DNA-Analysen bald zusätzliches Wissen über frühe menschliche Arten liefern wird.

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