Neuer Wirkstoff greift ruhende Krebszellen an

Das zusätzliche Abtöten inaktiver Zellen im Innern eines Tumors könnte ein erneutes Krebswachstum nach der Chemotherapie verhindern
Fast alle Zellen des Körpers sind zur Energieversorgung auf Mitochondrien angewiesen (grüne, ovale Strukturen der schematischen Illustration).
Fast alle Zellen des Körpers sind zur Energieversorgung auf Mitochondrien angewiesen (grüne, ovale Strukturen der schematischen Illustration).
© Shutterstock, Bild63965059
Stockholm (Schweden) - Viele Krebstherapien töten nur solche Zellen ab, die sich schnell teilen. Aber einige Krebszellen im Innern von Tumoren fallen in einen Ruhezustand, weil sie schlecht mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt werden. Diese Zellen überleben daher oft eine Chemo- oder Strahlentherapie und sind Ausgangspunkt für ein späteres erneutes Tumorwachstum. Schwedische Mediziner haben jetzt gezielt nach Substanzen gesucht, die speziell ruhende Krebszellen angreifen. Sie fanden einen Hemmstoff, der die Energieproduktion in diesen Zellen so stark blockiert, dass sie verhungern. Der kombinierte Einsatz mit bekannten Krebsmitteln verstärkte deren Wirksamkeit bei Mäusen, berichten die Forscher im Fachblatt „Nature Communications”.

„Wir haben herausgefunden, dass ruhende Krebszellen nur begrenzt fähig sind, eine verringerte Funktion der Mitochondrien zu kompensieren“, sagt Stig Linder vom Karolinska Institut in Stockholm. In den Mitochondrien, den „Kraftwerken der Zelle”, entsteht die Hauptmenge an chemischer Energie, die jede Zelle zum Leben benötigt. Aber eine effektive Energieproduktion ist nur dann möglich, wenn über das Blut ausreichend Sauerstoff und Zucker angeliefert werden. Das Innere schnell wachsender Tumoren ist jedoch meist schlecht durchblutet, so dass ein Mangel an Sauerstoff und Glukose herrscht. Dann sinkt die Teilungsaktivität und die Zellen versuchen, die verringerte Energieerzeugung durch Gärung wenigstens teilweise zu kompensieren, um überleben zu können.

Linder und seine Kollegen suchten nun nach einer Möglichkeit, die bereits gedrosselte Aktivität der Mitochondrien noch weiter zu verringern, damit diese Zellen an Energiemangel sterben. Um die sauerstoffarmen Bedingungen in Tumoren zu simulieren, setzten sie für ihre Tests nicht die üblichen einschichtigen Zellkulturen ein. Stattdessen nutzten sie menschliche Darmkrebszellen, die sich zu kugeligen dreidimensionalen Strukturen, sogenannten Sphäroiden, zusammengelagert hatten. Nach einem Screening von 10.000 chemischen Substanzen fanden sie eine Verbindung mit den gesuchten Eigenschaften: Der Wirkstoff VLX600 tötete schon in geringer Dosis ruhende Krebszellen ab. Gesunde Körperzellen in gut durchbluteten Geweben wurden dadurch kaum geschädigt. Denn diese Zellen konnten – auch bei blockierten Mitochondrien – ihren Energiebedarf dadurch decken, dass sie verstärkt Zucker durch Gärung verwerteten. In Versuchen mit Mäusen erwies sich das neue Mittel als wirksam gegen implantierte Darmkrebstumoren. In Kombination mit den Krebsmitteln Irinotecan oder Oxaliplatin ergab sich ein synergistischer, also mehr als additiver Effekt, ohne dass starke Nebenwirkungen auftraten. Eine erste klinische Studie mit Krebspatienten ist noch für dieses Jahr geplant.

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