Neue Therapie hält Herpesviren in Schach

Ein gegen Depressionen zugelassenes Medikament verhindert bei Tieren die Reaktivierung der Erreger
Eine akute Infektion mit Herpes simplex-Viren äußert sich meist in Form von Lippenbläschen.
Eine akute Infektion mit Herpes simplex-Viren äußert sich meist in Form von Lippenbläschen.
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Bethesda (USA) - Herpesviren wird man nie wieder los. Sie verursachen Bläschen an den Lippen oder im Genitalbereich, die nur vorübergehend verschwinden. Ein neuer Therapieansatz soll nun verhindern, dass die lästigen Symptome ständig wiederkehren. Dazu haben amerikanische Mediziner ein bisher als Antidepressivum eingesetztes Medikament in Tierversuchen erfolgreich getestet. Das Mittel blockiert ein Enzym der befallenen Zellen, das die Viren benötigen, um aus ihrem Ruhezustand aufzuwachen, berichten die Forscher im Fachblatt „Science Translational Medicine”. Die neuartige sogenannte epigenetische Therapie kann zwar die Erreger nicht aus den Zellen eliminieren. Sie könnte aber, insbesondere in Kombination mit üblichen antiviralen Medikamenten, die Symptome effektiver lindern und das Ansteckungsrisiko senken.

„Arzneimittel mit epigenetischer Wirkung ermöglichen einen vielversprechenden Ansatz zur Behandlung von Herpesinfektionen“, schreiben Thomas Kristie vom National Institute of Allergy and Infectious Diseases (NIAID) in Bethesda und seine Kollegen. Ähnlich wie das menschliche Erbgut liegt die DNA inaktiver Herpes simplex-Viren (HSV) in infizierten Zellen eng verbunden mit Proteinen, den Histonen, vor. In dieser Form sind die Gene der Viren weitgehend abgeschaltet – die Viren können sich kaum vermehren und verursachen auch keine Krankheitssymptome. Zur Wiedererweckung ist unter anderem ein Enzym der Wirtszelle nötig, die Histon-Demethylase LSD1. Sie sorgt dafür, dass Methylgruppen von Histonen abgespaltet werden, und leitet dadurch die Aktivierung der Virengene ein. Da sich also die Genaktivität indirekt ändert, spricht man von einem epigenetischen Effekt.

Aus Versuchen mit Zellkulturen war bekannt, dass die Hemmung des Enzyms LSD1 durch Wirkstoffe wie Tranylcypromin die Reaktivierung und Vermehrung von Herpesviren blockieren kann. Die Forscher konnten nun zeigen, dass sich diese Wirkung auch im lebenden Organismus erzielen lässt. Sie setzten drei Tiermodelle ein, um den Effekt der Therapie auf unterschiedliche Phasen im Lebenszyklus der Viren zu untersuchen. Die Experimente mit Mäusen, Kaninchen und Meerschweinchen ergaben, dass der Hemmstoff sowohl die Virusvermehrung im Gewebe nach Erstinfektion blockiert als auch eine spätere Reaktivierung verhindert. Starke Nebenwirkungen traten nicht auf. Ob aber auch eine Langzeitbehandlung unbedenklich ist, lässt sich noch nicht sagen.

Tranylcypromin wird bereits zur Therapie von Depressionen eingesetzt, so dass klinische Studien zur Wirksamkeit gegen Herpesinfektionen schon bald möglich wären. Bisher dienen zur symptomatischen Behandlung Virostatika wie Aciclovir. Diese blockieren die Vermehrung der Virus-DNA, also eine späte Phase der Reaktivierung. Die neue Therapie zielt dagegen auf die früheste Phase dieses Prozesses. Daher könnte der kombinierte Einsatz beider Medikamente den Behandlungserfolg deutlich verbessern. Da Tranylcypromin nicht gegen ein virales Molekül gerichtet ist, sondern ein menschliches Enzym hemmt, ist keine Entwicklung resistenter Viren zu erwarten.

Die Erreger von Lippenherpes (HSV-1) und Genitalherpes (HSV-2) haben weltweit 50 bis 90 Prozent aller Menschen infiziert. Die Erstinfektion erfolgt meist im Kindesalter über Schleimhautkontakt, ohne dass Krankheitszeichen auftreten. Die aktivierten Viren vermehren sich in Hautzellen, lösen Entzündungsreaktionen aus und verursachen die Hautbläschen, die große Mengen an Viruspartikeln enthalten. Die Bläschen heilen nach ein bis zwei Wochen vollständig ab. Die Erreger befallen aber auch benachbarte sensorische Nervenzellen, in denen sie in einem Ruhezustand lange Zeit überdauern. Zu den Auslösern einer erneuten Reaktivierung zählen Erkrankungen, Menstruation und psychischer Stress.

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