Neuartige Therapie von Harnwegsinfektionen: Wirkstoff verstärkt Immunabwehr
„Das Ziel unserer weiteren Arbeiten sind klinische Studien mit einem Wirkstoff, der so verändert ist, dass er in Tablettenform eingenommen werden kann“, sagt Victor Nizet von der University of California in San Diego. Sein Forscherteam erprobte den experimentellen Wirkstoff AKB-4924 zunächst an Kulturen menschlicher Zellen der Harnwege. Die Substanz verhindert den normalerweise schnellen Abbau des Proteins HIF-1-alpha. Nur wenn sich dieses Protein in größerer Menge in einer Zelle ansammelt, kann es mehrere Gene einschalten. Dann werden unter anderem – als Teil der angeborenen Immunreaktion – Abwehrstoffe produziert, die Bakterien abtöten. Die so behandelten Zellkulturen erwiesen sich als widerstandsfähiger gegenüber einer anschließenden Infektion mit uropathogenen E. coli-Bakterien (UPEC), die zu den häufigsten und hartnäckigsten Erregern von Harnwegsinfektionen zählen.
Dieser vorbeugende Effekt bestätigte sich in Experimenten mit Mäusen: Direkt in die Harnblase injiziert, schützte der Wirkstoff die Tiere vor einer E. coli-Infektion. Dagegen waren Mäuse, die wegen eines genetischen Defekts kaum noch HIF-1-alpha bilden konnten, generell anfälliger für Infektionen und profitierten nicht von einer Behandlung mit AKB-4924. Das zeigt, dass das Regulatorprotein HIF-1-alpha für die angeborene Immunabwehr von großer Bedeutung ist. Auch wenn das Mittel erst sechs Stunden nach der Infektion verabreicht wurde, war es noch wirksam und begrenzte die Vermehrung der Bakterien in der Blase. Die antibakterielle Wirkung ließ sich auf eine verstärkte Produktion von Cathelicidin, Beta-Defensin-2 und Stickstoffmonoxid (NO) durch Zellen der Harnwege zurückführen.
Jetzt müssen klinische Studien prüfen, ob die Ergebnisse der Tierversuche auf Menschen übertragbar sind und keine bedenklichen Nebenwirkungen auftreten. Die neue Therapie könnte dann zunächst stark infektionsgefährdeten Patienten mit Dauerkatheter zugute kommen. Wenn das Mittel erst einmal in Tablettenform verfügbar ist, wäre auch eine prophylaktische Behandlung anderer Personen mit hohem Infektionsrisiko und ein breiter therapeutischer Einsatz bei akuten Infektionen möglich.