Neuartige Aids-Viren im Nervensystem gefunden

HIV vermehrt sich auch in anderen Immunzellen als den T-Zellen
Chapel Hill (USA) - Lange war es ein Rätsel, warum HIV-Infizierte trotz ansonsten erfolgreicher Therapie schwere Schäden im Nervensystem erleiden können. Jetzt haben US-Forscher erstmals eine mögliche Erklärung dafür gefunden. In der Rückenmarks- und Hirn-Flüssigkeit von Infizierten entdeckten sie zusätzlich einen zweiten Typ von Aids-Viren (HIV), der sich genetisch von jenem im Blut unterschied. Außerdem vermehrten sich diese neuartigen Viren in anderen Zellen des Immunsystems als bisher bekannt. Wie die Experten im aktuellen Fachmagazin "PLoS Pathogens" darlegen, könnte dies zu neuen Diagnose-Verfahren führen, um den Erfolg von Behandlungen zu kontrollieren und zu verbessern.

"Dies ist das erste Mal, dass jemand die aktive Vermehrung von Aids-Viren in einem anderen Zelltyp als T-Zellen nachgewiesen hat", so Ronald Swanstrom, Professor für Biochemie an der University of North Carolina in Chapel Hill. T-Zellen sind weiße Blutkörperchen, die als wichtige Komponente des Immunsystems die Abwehr des Körpers regulieren. Und genau diese Zellen werden von Aids-Viren erobert und besetzt, damit sie sich vermehren können. Soweit der bisherige Kenntnisstand. Als Swanstrom und seine Kollegen jedoch die Rückenmarks- und Hirnflüssigkeiten von HIV-Patienten mit Nervenschäden untersuchten, machten sie eine überraschende Entdeckung: Bestimmte Aids-Viren vervielfachen sich auch in einem andern Typ von weißen Blutkörperchen (sogenannten Makrophagen). Diese neu entdeckte HIV-Variante ist ganz spezifisch für Infizierte mit Nervenschäden.

"Nach dem Start der HIV-Therapie überprüften wir die Geschwindigkeit, mit der die Viren verschwanden", sagte Swanstrom. "Dabei stellten wir fest, dass die Anzahl der Aids-Viren im Blut erwartungsgemäß unter die Nachweisgrenze sank." Das hänge mit der Tatsache zusammen, dass die infizierten T-Zellen des Blutes in Folge der Behandlung nur eine sehr geringe Lebenszeit hätten. "Dagegen überlebten die Viren in der Nervenflüssigkeit viel länger – was auf den Befall eines anderen Zell-Typus hinwies", Swanstrom weiter. Und das hätte ihn und seine Kollegen darauf gebracht, Aids-Viren auch in Makrophagen des Gehirns zu entdecken: "Niemand hat bisher diese beiden Tatsachen zusammengeführt."

Schwere Schäden des Nervensystems, etwa die HIV-assoziierte-Demenz, gehören zu den Folgen einer Infektion mit Aids-Viren. Selbst moderne Kombinations-Therapien bieten weder einen kompletten Schutz dagegen, noch können sie die Folgen der Erkrankungen abmindern. Da HIV-Infizierte aber dank der medizinischen Entwicklungen länger leben, steigt auch ihr Risiko für eine Beeinträchtigung des Nervensystems und Gehirns. Die neuen Ergebnisse bieten nicht nur erstmals eine mögliche Erklärung für das Phänomen, sondern verbessern auch die Risiko-Vorhersage. Denn HIV-infizierte Blutkörperchen in Nervenflüssigkeiten können schon zwei Jahre vor dem Beginn einer Demenz nachgewiesen werden.

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Quelle: "HIV-1 Replication in the Central Nervous System Occurs in Two Distinct Cell Types", Gretja Schnell et al.; PLoS Pathogens im Print


 

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