Mobbing: Spätfolgen für die Psyche ernster als nach Misshandlung

Junge Erwachsene, die als Kinder gemobbt wurden, leiden häufiger unter psychischen Problemen als Altersgenossen, die als Kind von Erwachsenen körperlich misshandelt wurden
Mobbing kann der Psyche nachhaltig schaden.
Mobbing kann der Psyche nachhaltig schaden.
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San Diego (USA) - Wenn Kinder von ihren Altersgenossen systematisch gehänselt und drangsaliert werden, hat das mindestens genauso schlimme Auswirkungen auf deren spätere psychische Gesundheit wie körperliche Misshandlung durch Erwachsene. Vermutlich sind die Folgen des Mobbings sogar gravierender, berichteten Psychologen aus Großbritannien und den USA auf der Jahrestagung der „Pediatric Academic Societies” in San Diego. Ihre Analyse von Daten zweier Langzeiterhebungen legt nahe: Wer als Kind unter Mobbing litt, hat als junger Erwachsener häufiger mit Problemen wie Depressionen, Ängsten oder Neigung zur Selbstverletzung zu kämpfen.

„Gemobbt zu werden, ist nicht einfach nur ein harmloser oder unvermeidlicher Teil des Erwachsenwerdens, sondern hat schwerwiegende Langzeitfolgen”, erläuterte Dieter Wolke von der University of Warwick. Es sei wichtig, dass beispielsweise Schulen und das Gesundheitswesen zusammenarbeiten, um Mobbing und die damit verbundenen schädlichen Effekte zu verringern. Wolke und seine Kollegen hatten Zahlen aus zwei umfangreichen Gesundheitsstudien verwendet: einmal die Daten von mehr als 4000 US-amerikanischen Kindern, die im Alter von acht, zehn und zwölf Jahren zu Mobbing befragt worden waren. Darüber hinaus hatten deren Mütter Aussagen zu Kindesmisshandlung bis zu einem Alter von neun Jahren gemacht. Außerdem nutzten die Psychologen die Daten von mehr als 1400 britischen Kindern und deren Eltern, die Angaben zu Misshandlung und Mobbing im Alter von 9 bis 16 Jahren geliefert hatten. In beiden Erhebungen waren die Kinder später als junge Erwachsene nach psychischen Gesundheitsproblemen befragt worden, darunter Ängste, Depressionen und Selbstverletzung beziehungsweise Suizidgedanken. Die Forscher bezogen in ihre Berechnungen auch mögliche andere Einflussfaktoren ein, etwa den sozioökonomischen Status sowie psychische Probleme oder Unglücksfälle in der Familie.

Es zeigte sich: Misshandlung alleine ging in der amerikanischen Erhebung nicht mit einem stärkeren Aufkommen späterer psychischer Probleme einher. Die britischen Zahlen wiesen auf ein erhöhtes Risiko für Depressionen hin. Wer aber als Kind gemobbt worden war, bei dem kam es später häufiger zu mentalen Gesundheitsproblemen als bei denjenigen, die unter Misshandlungen gelitten hatten: In der britischen Studie führte Mobbing häufiger zu Angststörungen, während es bei den US-Kindern in der Folge eher zu Depressionen und selbstverletzendem Verhalten kam. In beiden Erhebungen trugen diejenigen, die als Kind sowohl misshandelt als auch gemobbt worden waren, als junge Erwachsene ein höheres Risiko für psychische Probleme insgesamt, Angststörungen und Depressionen, in der US-Studie auch für selbstverletzendes Verhalten.

Unter den US-amerikanischen Kindern waren den Daten zufolge mehr als 8 Prozent misshandelt worden, rund 30 Prozent Opfer von Mobbing. Knapp 7 Prozent hatten sogar unter beidem gelitten. Die Zahlen der britischen Studie besagten: 15 Prozent waren Misshandlungs-, gut 16 Prozent Mobbingopfer, während beinahe 10 Prozent beides erlebt hatten. Grundsätzlich wurden misshandelte Kinder häufiger das Ziel von Mobbingattacken als Altersgenossen, die nicht misshandelt wurden.

„Die Folgen von Misshandlung durch Erwachsene für die psychische Verfassung sind gut dokumentiert”, schreiben die Psychologen in ihren Hintergrundinformationen. Und auch die Misshandlung durch Gleichaltrige, zum Beispiel Mobbing, könne langfristige Folgen haben. Doch es sei fraglich, ob diese Auswirkungen von Mobbing auf die psychische Gesundheit im Erwachsenenalter auf das Mobbing alleine zurückzuführen sind oder vielleicht auf vorherige Misshandlung und damit auf die Tatsache, dass diejenigen mehrfach zum Opfer wurden. Mit ihren Analysen wollten Wolke und seine Kollegen dieser Frage auf den Grund gehen. Sie geben zu bedenken, dass seitens der Regierungen zwar viel gegen Misshandlung und familiäre Gewalt unternommen werde, Mobbing aber vergleichsweise wenig Beachtung fände. In Anbetracht ihrer Ergebnisse sollte diesem Ungleichgewicht – und damit auch dem Mobbing – ebenfalls Aufmerksamkeit gewidmet werden.

Die Studie wird nicht nur auf der Tagung vorgestellt, sondern erscheint auch im Fachblatt „The Lancet Psychiatry”.

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Quelle: „Adult Mental Health Consequences of Peer Bullying and Maltreatment in Childhood: Two Cohorts in Two Countries”, Dieter Wolke et al.; Pediatric Academic Societies (PAS) annual meeting in San Diego / The Lancet Psychiatry, Abstract: http://www.abstracts2view.com/pas/view.php?nu=PAS15L1_4540.4


 

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