Milchstraße besitzt doch vier Arme

Neue Kartierung des Sternenhimmels zeigt die Verteilung der nun entdeckten schweren Sterne in unserer Galaxie.
Die Milchstraße besitzt nach der neuen Studie insgesamt vier Arme. Die Lage der Erde ist mit einem schwarzen Kreis markiert, die roten Punkte zeigen die neu entdeckten schweren Sterne.
Die Milchstraße besitzt nach der neuen Studie insgesamt vier Arme. Die Lage der Erde ist mit einem schwarzen Kreis markiert, die roten Punkte zeigen die neu entdeckten schweren Sterne.
© J. Urquhart et al. / Hintergrund: R. Hurt, Spitzer Science Center
Bonn - Wenn man im Wald steht, ist es vor lauter Bäumen oft schwer, dessen genaue Form und Ausdehnung zu bestimmen. Viel einfacher ist es, von einem Hügel herab einen Wald in der Nähe zu kartieren. Dasselbe Problem haben Astronomen, wenn sie eine Karte unserer Milchstraße zeichnen wollen. Die Form unserer eigenen Galaxie ist viel weniger bekannt als die zahlreicher anderer Galaxien, die wir mit Teleskopen am Nachthimmel beobachten können. Insbesondere war lange Zeit unklar, wie viele Arme die Milchstraße eigentlich besitzt. Einige Astronomen vermuteten, unsere Galaxie bestehe eigentlich aus vier Armen – Messungen mit dem Weltraumteleskop Spitzer zeigten aber nur zwei Arme. Die Astronomen konnten sozusagen die Milchstraße vor lauter Sternen nicht sehen.

„Die Milchstraße ist unsere Heimatgalaxie. Das Studium ihrer Struktur gibt uns die einmalige Möglichkeit zu verstehen, wo und warum in einer typischen Spiralgalaxie Sterne geboren werden“, sagt Melvin Hoare von der Universität Leeds. Gemeinsam mit einem internationalen Team von Astronomen hat er im Fachblatt „Monthly Notices of the Royal Astronomical Society“ nun eine Studie veröffentlicht, die Beobachtungsdaten aus zwölf Jahren zusammenfasst.

Die Forscher hielten vor allem nach schweren Sternen Ausschau. Denn die bisher genauesten Kartierungen der Milchstraße – etwa mit dem Weltraumteleskop Spitzer – basierten vor allem auf hochauflösenden Infrarot-Aufnahmen. Auf diesen zeigten sich zwar rund 110 Millionen Sterne, aber auf nur zwei Spiralarme verteilt. Frühere Messungen mit Radioteleskopen aus den 1950er Jahren, die nicht nach Sternen, sondern nach Gasmassen suchten, hatten jedoch vier Spiralarme offenbart. Deshalb beschlossen die Forscher, nach Sternen Ausschau zu halten, die Spitzer nicht – oder nur sehr schlecht – sehen kann.

Da Spitzer für langwellige Infrarotstrahlung gebaut ist, sieht es vor allem leichte und vergleichsweise kühle Sterne, die eine sehr hohe Lebensdauer besitzen. „Sterne mit wenig Masse leben sehr viel länger als massereiche Sterne und rotieren in dieser Zeit viele Male um die Milchstraße, wobei sie sich in der galaktischen Scheibe verteilen“, erläutert Hoare. „Die Schwerkraft, die die beiden Hauptarme in der Milchstraße ausüben, ist stark genug, um die Mehrzahl dieser Sterne in diesen Armen zu binden.“ Der Ort leichter Sterne ist deshalb kein Indiz dafür, wo und aus welchen Gasmassen er entstanden ist.

Schwere Sterne brennen sehr viel heller und leben sehr viel kürzer. Sie bleiben in ihrer Entstehungsregion. Deswegen suchten die Astronomen mit Radioteleskopen in Australien, den USA und Chile nach solchen Sternen. Rund 1650 von ihnen konnten sie genau vermessen und ihre Position in der Milchstraße bestimmen. „Die Verteilung der schweren, jungen Sterne erlaubte uns, die Struktur der Milchstraße zu untersuchen“, sagt James Urquhart, der am Max-Planck-Institut für Radioastronomie forscht. „Die Regionen mit der stärksten Sternentstehung passen dabei zu einem Modell der Milchstraße mit vier Armen.“ Damit sind die alten Radiowellen-Untersuchungen bestätigt, nach denen unsere Galaxie zwei Hauptarme und zwei dünnere Nebenarme besitzt, in denen genug Gas zur Bildung von Sternen vorhanden ist. Um den Wald trotz lauter Bäumen zu sehen, ist es eben manchmal hilfreich, nach den höchsten Wipfeln Ausschau zu halten.

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