Mikropartikel: Schädlicher Plastikmüll sogar im Gardasee

Belastung mit Kunststoffteilchen ist nicht allein ein Problem der Ozeane, sondern trifft auch Süßwasserseen stärker als gedacht
Auch Süßwasserseen wie der Gardasee sind mit großen Mengen von Plastik belastet.
Auch Süßwasserseen wie der Gardasee sind mit großen Mengen von Plastik belastet.
© Current Biology, Imhof et al.
Bayreuth/München - Nicht nur die Weltmeere, sondern auch Süßwasserseen in den Bergen sind stark mit Klein- und Kleinstteilen aus Kunststoff verschmutzt. Die Belastung mit dem feinen Plastikmüll ist in manchen Bereichen der Gewässer sogar vergleichbar mit der an vielen Meeresstränden. Das zeigen Untersuchungen am Gardasee, über die deutsche Biologen im Fachblatt „Current Biology“ berichten. Bisher war die Datenlage zur Plastikverschmutzung in Süßwasser-Ökosystemen eher spärlich. Mit ihrer aktuellen Studie zeigen die Forscher nun, dass sich in diesen Gewässern ebenfalls Plastikpartikel ansammeln können.

„Neben mechanischen Beeinträchtigungen durch verschlucktes Plastik, das fälschlicherweise für Futter gehalten wurde, ist von vielen in Kunststoffen enthaltenen chemischen Verbindungen bekannt, dass sie krebserregend sind, Hormonstörungen hervorrufen können oder äußerst giftig sind“, erläutert Christian Laforsch von der Universität Bayreuth. Darüber hinaus könnten die Kunststoffpolymere organische Schadstoffe aufnehmen und diese in weniger belastete Biotope transportieren. Gemeinsam mit Kollegen von der Technischen Universität München und der Ludwig-Maximilians-Universität München hatte Laforsch an zwei Stränden des Gardasees – einer im Süden, der andere im Norden – Sedimentproben gesammelt. Diese untersuchten die Biologen auf das Vorkommen von Plastikpartikeln und deren Art, Größe, Form und Beschaffenheit.

Vor allem am Nordstrand fanden die Forscher zu ihrer Überraschung eine beträchtliche Zahl an Mikro- und Makropartikeln aus Kunststoff. Aufgrund der Lage des Gardasees hatten sie eine deutlich weniger starke Verschmutzung erwartet. Die Menge erreicht aber in diesem subalpinen See sogar Ausmaße, wie sie von manchen marinen Lebensräumen bekannt sind. Das legt nahe, schreiben Laforsch und seine Kollegen, dass auch Frischwassergewässer nicht nur als Quelle der marinen Verschmutzung fungieren können. Dass sich die Teilchen im Norden anhäufen, könnte an Winden und Strömungen liegen. Die bloße Existenz von Plastikmikropartikeln in dem subalpinen Gewässer legt laut Laforsch nahe, dass deren Anwesenheit auch in Gewässern in tieferen Lagen von höherer Relevanz sind als bislang gedacht. Ähnlich wie es im Meer geschieht, das legen elektronenmikroskopische Analysen der Forscher nahe, wird das Plastik zu immer winzigeren und filigraneren Partikeln zerkleinert, zerrieben und zersetzt. Als mögliche Quellen dafür, wie das Plastik in den Gardasee gelangt, vermuten die Biologen weggeworfenen Plastikmüll und Abfälle aus Mülldeponien.

Weitere Untersuchungen an einer Reihe verschiedener, kleinerer limnischer Organismen aus unterschiedlichen Lebensräumen des Sees – darunter Ringelwürmer, Wasserflöhe, Muschelkrebse und Schnecken – ergaben zudem: Tatsächlich nehmen die Tiere die potenziell schädlichen Plastikpartikel auf und scheiden diese auch wieder aus. Dazu hatten die Forscher fluoreszierende Plastikkleinstteile eingesetzt, die sie in den Lebewesen und deren Ausscheidungen nachweisen konnten.

Die Verschmutzung mit Plastikmüll sowie mit Kleinteilen und Mikropartikeln aus Kunststoff erlangte bisher primär im Bereich der Ozeane Beachtung. Die Belastung der Weltmeere ist ein massives Umweltproblem, eine erhebliche Gefahr für marine Ökosysteme weltweit. Zentraler Teil dieses Problems sind Tonnen von Plastikteilen, die auf und in den Ozeanen treiben und tagtäglich unzählige Lebewesen gefährden, die in und an den Gewässern leben.

Ob Plastiktüten, Kunststofflaschen, Einwegrasierer, Kisten, Eimer, Zahnbürsten oder mit bloßem Auge nicht sichtbare Kleinstteile – Plastik gelangt aus unterschiedlichen Quellen in die Meere. Sogar in Abwässern von Waschmaschinen reisen die Mikropartikel: Winzigste Kunststoffteilchen werden von synthetischen Fasern wie Fleece-Stoffen abgespült und gelangen so in die Gewässer. Viele Kosmetikprodukte enthalten ebenfalls Kunststoffpartikel, die mit dem Abwasser weggeschwemmt werden. In manchen Gegenden liegen Müllkippen unmittelbar an Flussufern oder Küsten, mitunter werfen Menschen ihren Müll einfach in den Fluss – auch hierzulande. Der Weg bis ins Meer ist dann nur kurz.

Noch schneller kommt Kunststoff in die Ozeane, wenn Schiffe Teile ihrer Ladung verlieren oder wenn Fischern ihre Netze abhanden kommen, die dann als sogenannte Geisternetze durchs Wasser treiben. Manchmal geht sogar der Schiffsabfall, trotz internationaler Verbote, einfach direkt über Bord. So sammelt sich der Unrat, wird mit den Meeresströmungen in manchen Gegenden zu riesigen Teppichen zusammengetrieben – der Great Pacific Garbage Patch im Nordpazifik zum Beispiel ist so ein Müllstrudel, an dem einiges zusammenkommt. Das Ausmaß der Gesamtbelastung ist kaum überschaubar, zumal ein Großteil vermutlich zum Meeresgrund sinkt. Außerdem werden die Kunststoffteile von Wind, Wetter, Wellen und Sonneneinstrahlung immer feiner zerrieben und weiter zersetzt. Schließlich entstehen mikrofeine Partikel, die auch noch von den filigransten Wasserlebewesen aufgenommen werden.

Auch viele Seevögel fressen die Plastikkleinteile und nicht selten kommt es vor, dass Vögel mit vollem Magen verhungern. Der Kunststoff füllt den Magen und macht vermeintlich satt, besitzt aber keinerlei Nährwert. Tatsächlich findet sich in den Mägen von Seevögeln regelmäßig eine beängstigend hohe Anzahl an Plastikteilen. Nicht zuletzt deshalb, berichteten kanadische Forscher vor einigen Monaten in „Science“, eignen sich Untersuchungen an Seevögeln besonders gut dazu, Ausmaß und Details dieser Umweltbelastung auf die Spur zu kommen.

© Wissenschaft aktuell
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