Meningokokken: Verwandte Bakterien als vorbeugende Arznei

Die Verabreichung harmloser Keime über Nasentropfen verdrängt Erreger einer Hirnhautentzündung in Nase und Rachen und senkt das Risiko einer Übertragung
Meningokokken (Neisseria meningitidis) besiedeln auch die Schleimhäute von gesunden Menschen.
Meningokokken (Neisseria meningitidis) besiedeln auch die Schleimhäute von gesunden Menschen.
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Southampton (Großbritannien) - Per Nasentropfen verabreichte Bakterien könnten helfen, eine Ausbreitung und Übertragung von Meningokokken zu verhindern. Auch manche gesunde Menschen tragen diese bakteriellen Erreger einer Hirnhautentzündung auf den Schleimhäuten des Nasen-Rachen-Raums. Durch Tröpfcheninfektion können sie auf andere Menschen übergehen. Aber nur bei geschwächter Immunabwehr und geschädigter Schleimhaut dringen die Bakterien in den Körper ein und verursachen lebensbedrohliche Infektionen. Dieses Infektionsrisiko lässt sich durch Nasentropfen verringern, die eine eng verwandte aber harmlose Bakterienart enthalten, berichten britische Forscher im Fachblatt „Clinical Infectious Diseases”. Innerhalb von zwei Wochen verdrängen die Keime einen Teil der vorhandenen Meningokokken und verhindern eine neue Besiedlung mit den potenziellen Krankheitserregern. Dieser Effekt war ausgeprägter als nach einer Meningokokken-Impfung.

„Wir haben erstmals gezeigt, dass ein harmloses Bakterium die Besiedlung durch den Meningitis-Erreger Neisseria meningitidis beeinflussen kann”, sagt Robert Read von der University of Southampton. Sein Forscherteam verabreichte 149 gesunden Studenten im Alter von 18 bis 25 Jahren Nasentropfen, die Neisseria lactamica-Bakterien enthielten. Diese Neisserien-Art zählt zur normalen Keimflora von Nase und Rachen und löst keine bekannten Infektionen aus. Als Kontrolle dienten 161 Studenten, denen nur eine Kochsalzlösung in die Nase geträufelt wurde. Vor der Behandlung und fünfmal im Verlauf von 26 Wochen kontrollierten die Forscher mit Hilfe von Abstrichen, ob sich die eine oder andere Art der Neisserien nachweisen ließ.

Zu Beginn der Studie identifizierten sie N. meningitidis-Bakterien bei 23 Prozent aller Probanden. In den Industrieländern sind junge Erwachsene die Bevölkerungsgruppe mit dem größten Anteil an Trägern von Meningokokken. Sie beherbergen also ein Erregerreservoir, von dem gefährliche Infektionen ausgehen können. Zwei Wochen nach dem Einträufeln der harmlosen Neisserien, waren N. meningitidis-Bakterien nur noch bei knapp 15 Prozent der Studenten nachweisbar. Das beruhte zum einen darauf, dass die N. lactamica-Bakterien die potenziellen Krankheitserreger verdrängt hatten. Zum anderen erschwerten die verabreichten Keime eine neue Besiedlung durch Meningokokken. Der Effekt hielt mindestens vier Monate an. Aus anderen Untersuchungen ist bekannt, dass Menschen mit hohen Keimzahlen an N. lactamica seltener an einer Hirnhautentzündung durch Meningokokken erkranken als andere.

Genauere Analysen der N. meningitidis-Isolate ergaben, dass die Hemmwirkung von N. lactamica sämtliche Serotypen von Meningokokken gleichermaßen betraf. In Deutschland werden die meisten Meningokokken-Infektionen durch Erreger der Serogruppe B verursacht. Eine Meningitis-Impfung schützt nur vor dieser oder anderen ausgewählten Serotypen. Sie wirkt sich auch auf die Schleimhautbesiedlung hemmend aus, das gilt aber nicht für sämtliche Varianten der Neisserien. Wenn es also darum ginge, bei einem Ausbruch von Meningokokken-Infektionen weitere Übertragungen des Erregers zu stoppen, wäre der Einsatz von Nasentropfen mit N. lactamica wahrscheinlich effektiver als eine Impfung. „Neisseria lactamica könnte daher als potenzielles ‚bakterielles Arzneimittel’ dienen, um Ausbrüche von Meningokokken-Infektionen zu unterdrücken“, schreiben die Forscher. Zunächst müsse allerdings die Unbedenklichkeit dieser Bakterien in größeren Studien eindeutig sichergestellt werden.

Nach Angaben des Robert-Koch-Instituts erkrankten in Deutschland in den Jahren 2011 bis 2013 im Mittel jährlich 356 Personen an Meningokokken, davon 247 durch Meningokokken der Serogruppe B. Das höchste Erkrankungsrisiko haben Säuglinge, Kleinkinder und Jugendliche.

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