Manche Blattläuse schicken ihre Jüngsten und Ältesten an die Front

Die Parasiten, die in Gewebswucherungen von Pflanzen - sogenannten Gallen - leben, schützen ihre Kolonie durch aufopferndes Verhalten
Alte (links) und junge Wächter-Blattlaus
Alte (links) und junge Wächter-Blattlaus
© Keigo Uematsu and Harunobu Shibao
Tokio (Japan) - Gallenbildende Blattläuse schützen ihre Kolonie durch eine ungewöhnliche Form der Arbeitsteilung. Die jüngsten und die ältesten Bewohner übernehmen eine Wächterfunktion, wenn sich ihr geschützter Lebensraum öffnet. Die Parasiten entwickeln sich mehrere Generationen lang in einer sogenannten Galle, die sie durch Auslösung pflanzlicher Gewebswucherungen selbst erzeugt haben. Am Ende der Entwicklungsphase der Kolonie halten sich die Wächter-Blattläuse im Bereich der Öffnung auf und wehren unter Einsatz ihres Lebens Eindringlinge ab. Die für die Fortpflanzung wichtige mittlere Generation zieht sich dagegen an einen sicheren Ort in der Galle zurück. Über ihre Beobachtungen berichten japanische Biologen im Fachblatt „Biology Letters“.

„Wir konnten zeigen, dass die Position der verschiedenen Formen und Generationen der Blattlaus Quadrartus yoshinomiyai in geöffneten Gallen nicht rein zufällig war“, schreiben Keigo Uematsu und Kollegen von der University of Tokyo. Als Wirtspflanze nutzen die Insekten einen Strauch (Distylium racemosum) aus der Familie der Zaubernussgewächse. Die erzeugten Gallen dienen ihnen 14 Monate lang als Lebensraum einer Kolonie, in der sich vier Generationen der Läuse entwickeln. Nach einem Jahr bildet sich ein kleines Loch, aus dem dann in den folgenden Wochen geflügelte Blattläuse ins Freie und zu neuen Wirtspflanzen gelangen.

Zu Beginn dieser Phase, die zwei Monate dauert, sammelten die Forscher 20 bereits geöffnete Gallen. Sie stellten fest, dass sich die jüngsten Entwicklungsstadien der Parasiten und die bereits nicht mehr fortpflanzungsfähigen ältesten Formen überwiegend im Bereich der Öffnung positioniert hatten. Dort ist die Gefahr einer feindlichen Attacke und eines Nahrungsmangels wegen Austrocknung am größten. Die Blattläuse der mittleren Generation hielten sich in größerer Entfernung von der Öffnung auf. Sie sind in dieser Zeit entscheidend für den biologischen Erfolg der Kolonie, das heißt die Vermehrung und Verbreitung ihrer Mitglieder.

In einer zweiten Versuchsreihe sammelten die Forscher reife, aber noch geschlossene Gallen, in die sie jeweils ein zwei Millimeter großes Loch bohrten. Zwölf Stunden später untersuchten sie die räumliche Verteilung der Blattlausformen in der Nähe der künstlichen Öffnung sowie an einer unbeschädigten Stelle der Galle. Offenbar wirkte das Aufbohren auf die Insekten als Signal, das sie veranlasste, ihre Position zu verändern: Die jüngsten und ältesten Läuse hatten sich zur Öffnung hin, die anderen von ihr weg bewegt. Wie ein solches Signal übermittelt und empfangen wird, wissen die Biologen noch nicht. Die beiden Formen von Wächter-Blattläusen würden einen Eindringling auf unterschiedliche Weise bekämpfen. Die Jungen setzen dazu ihren Stechrüssel ein, die Alten sondern ein wachsartiges Sekret ab und heften sich damit an den Feind. Die Forscher halten es für möglich, dass der gleichzeitige Einsatz beider Verteidigungsarten die Wirksamkeit der Abwehr erhöht.

© Wissenschaft aktuell


 

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