Lernen verursacht DNA-Schäden in aktiven Hirnzellen

Kognitive Prozesse bewirken vorübergehend DNA-Doppelstrangbrüche in Neuronen, die bei der Alzheimer-Demenz nicht wieder vollständig repariert werden
San Francisco (USA) - Äußere Einflüsse und bestimmte Stoffwechselprozesse können die DNA schädigen. Besonders gravierend sind sogenannte Doppelstrangbrüche, bei denen die beiden umeinander gewundenen Molekülketten der DNA-Helix durchtrennt werden. Doch jetzt haben amerikanische Forscher entdeckt, dass es in Hirnzellen von Mäusen allein dadurch bereits vermehrt zu Doppelstrangbrüchen kommt, wenn Neuronen aktiv sind. In ihren Experimenten traten die DNA-Schäden vor allem in Hirnregionen auf, die an Lernprozessen beteiligt sind. Bei gesunden Tieren wurden die DNA-Brüche schnell wieder repariert. Bei Alzheimer-Mäusen dagegen waren die Schäden größer und es dauerte länger, bis sie wieder behoben waren, berichten die Wissenschaftler im Fachjournal „Nature Neuroscience“. Den Zusammenhang zwischen Doppelstrangbrüchen und Altersdemenz aufzuklären, könnte für die Entwicklung einer Therapie hilfreich sein.

„Wir hoffen besser zu verstehen, welche Bedeutung Doppelstrangbrüche für das Lernen und das Erinnern haben – und für die Zerstörung dieser wichtigen Hirnfunktionen bei der Alzheimer-Krankheit“, sagt Lennart Mucke von den Gladstone Institutes in San Francisco. Sein Forscherteam hatte das Ausmaß an DNA-Doppelstrangbrüchen in Hirnzellen von Mäusen ermittelt, die neue Erfahrungen machten. Bei gesunden Tieren, die zwei Stunden lang lernten, sich in einer fremden Umgebung zurechtzufinden, kam es vermehrt zu derartigen DNA-Schäden. Dabei waren hauptsächlich solche Hirnregionen betroffen, die an Lernvorgängen beteiligt sind. Die meisten der Doppelstrangbrüche waren aber schon nach einem Tag wieder repariert. Vielleicht fördert ein genau ausbalanciertes Verhältnis zwischen Strangbrüchen und Reparaturen die Produktion von Proteinen, welche Gedächtnisinhalte erzeugen, vermuten die Forscher.

Anders war die Situation bei genetisch veränderten Mäusen, die Symptome der Alzheimer-Demenz entwickelten. Die Hirnzellen dieser Tiere wiesen zum einen von Anfang an mehr Doppelstrangbrüche auf. Zum anderen verstärkte das Erkunden der neuen Umgebung diese Schäden, die zudem weniger effizient repariert wurden. Ursache dafür waren die Beta-Amyloid-Eiweißstoffe, aus denen die krankheitstypischen Ablagerungen im Gehirn von Alzheimer-Patienten bestehen. Das bestätigten die Forscher in Experimenten mit Zellkulturen, indem sie aktivierte Neuronen mit Beta-Amyloiden behandelten und dadurch die Zahl an Doppelstrangbrüchen erhöhten. Die Ansammlung von Beta-Amyloiden bei Alzheimer könnte Stressreaktionen auslösen, welche notwendige DNA-Reparaturen verhindern und damit kognitive Hirnfunktionen schwächen.

„Zurzeit gibt es keine effektive Behandlung, um die Alzheimer-Demenz zu verlangsamen oder zu verhindern“, sagt Mucke. Möglicherweise könnten Wirkstoffe, die die Reparatur von Doppelstrangbrüchen fördern, zur Entwicklung neuer Medikamente führen. Auch bereits verfügbare Mittel könnten sich als wirksam erweisen. So verringerte das Epilepsie-Medikament Levetiracetam, das die Aktivität von Hirnzellen dämpft, das Ausmaß an Doppelstrangbrüchen bei Alzheimer-Mäusen.

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