Lautlose Nachtjäger - Orcas erlauschen ihre Beute

Nicht mittels Sicht oder Echoortung stellen sie Robben und Delfinen nach, sondern per Lauschangriff
San Francisco (USA) - Orcas sind lautlose Jäger, die in absoluter Dunkelheit auf verräterische Laute potenzieller Beute lauschen und sich an diesen akustischen Hinweisen orientieren. Das hat ein Team britischer und US-amerikanischer Biologen bei den Meeresraubtieren beobachtet. Zwar gab es bereits Belege dafür, dass Orcas beim Jagen auf den Einsatz von Klicklauten für die Echoortung verzichten. Unsicher war aber bisher, wie genau sie in trüberen Gewässern ihre Beute ausmachen. Die Ergebnisse, die die Forscher auf einer Tagung der „Acoustical Society of America“ in San Francisco präsentierten, legen nun nahe: Die auch Schwert- oder Killerwale genannten Meeressäuger verlassen sich bei der Jagd letztlich vielmehr auf ihr Gehör als auf ihre Sicht.

„Wenn die Jäger einfach nur herumschwimmen und die ganze Zeit klicken würden, wäre sämtliche Beute gewarnt“, erläutert Volker Deecke vom Centre for Wildlife Conservation at the University of Cumbria. „Es sieht so aus, als würden sich die Wale stattdessen anschleichen.“ Die Biologen hatten sich in den Südosten Alaskas begeben und insgesamt 13 Schwertwale (Orcinus orca) mit speziellen Geräten ausgestattet, die über einen Zeitraum von bis zu 16 Stunden nicht nur die Bewegungen der Tiere aufzeichneten, sondern auch jegliche Geräusche. Sieben der Sensoren blieben dabei sogar zumindest teilweise über Nacht angeheftet. Jagdereignisse konnten die Forscher anhand des charakteristischen Geräusches ausmachen, das entsteht, wenn der Wal seine Beute mit der Schwanzflosse erwischt.

Die Analyse des gesammelten Datenmaterials ergab: Die Mehrheit der Jagdereignisse spielte sich nachts ab. Orcas können ihre Beute demnach also auch in der Dunkelheit ausmachen. Da Sicht in beinahe völliger Dunkelheit zur Orientierung ausscheidet und die Meeressäuger auch keine Echolokation nutzen, liegt nahe, dass schlichtes Lauschen zentraler Teil ihrer Jagdstrategie ist. Das untermauern auch die Aufzeichnungen der Biologen. Deecke erzählt von einem Beispiel, welches das Ableben eines Seehundes dokumentiert: „Sobald wir eines dieser Geräte angebracht hatten, fing es schon an Lockrufe aufzuzeichnen, mit denen die Männchen die Aufmerksamkeit eines Weibchens gewinnen wollen. Über die folgende halbe Stunde wurden dieses Seehundgebrüll immer lauter und lauter. Dann kam eine Sequenz von drei ziemlich lauten Rufen, die darauf schließen ließen, dass sich der Seehund innerhalb weniger hundert Meter vom Schwertwal entfernt aufhielt. Siebenundzwanzig Sekunden später gab es die Geräusche eines Jagdereignisses, und dann war Stille.“

„Wir vermuten nun“, so Deecke, „dass Orcas bei der Futtersuche primär auf die Töne lauschen, die von ihrer Beute erzeugt werden.“ Der Biologe gibt aber zu bedenken: So schlüssig die Deutung der Geräusche auch scheint, ist sie noch kein direkter Beweis dafür, dass Schwertwale die Laute ihrer Beute tatsächlich zur Orientierung bei der Jagd nutzen. Er hofft, in weiteren Experimenten Tonaufzeichnungen einsetzen zu können, um die Reaktionen der Meeressäuger auf die Laute potenzieller Beutetiere zu untersuchen.

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