Kulturtechnik: Es kommt auf die Gruppengröße an

Die Bevölkerungsgröße spielt bei der Weitergabe von Kulturtechniken eine entscheidende Rolle
Montpellier (Frankreich) - Die Entwicklung von Sprache und einer vielfältigen Kultur hat einen großen Anteil am evolutionären Erfolg der Menschheit. Dabei spielte offenbar die Größe sozialer Gruppen eine entscheidende Rolle, besonders bei der Entwicklung von Kulturtechniken und Wissen und ihrer Weitergabe über Generationen hinweg. Jetzt bestätigt ein Experiment französischer Forscher diese Theorie. Diese gelte besonders für die Frühzeit der Menschheit, aber auch noch im Mittelalter, berichten sie im Wissenschaftsjournal „Nature“. Ihrer Studie zufolge entsteht und erhält sich Wissen in größeren Gruppen besser, konstanter und vielfältiger als in kleineren.

„Die Spieler in den großen Gruppen konnten auf mehr Beispiele für die Lösung der Aufgaben zurückgreifen und lernten so schneller von ihren Mitspielern“, erklärt Maxime Derex von der Université de Montpellier II . Mit ihren Kollegen hatte sie für die Studie ein Computerspiel mit zwei unterschiedlich schweren Aufgaben entworfen. Damit untersuchte sie die Weitergabe und Verbesserung von Lösungsansätzen in verschieden großen Gruppen. Die einfache Aufgabe bestand darin, eine Pfeilspitze durch das Verbinden von Punkten in 15 Schritten darzustellen, bei der schweren mussten die Spieler in 39 Schritten ein Fischernetz erstellen. Aufgeteilt wurden die 366 Probanden in Gruppen von zwei, vier, acht und sechzehn Spielern. Jeder einzelne Spieler bekam außerdem die Aufgabe, durch das Lösen der beiden Aufgaben möglichst viele Lebenspunkte zu sammeln. Als Mindestziel wurden 3.400 Punkte ausgeben, für das einfache Pfeilspiel bekamen sie 1.638 und für das Fischernetz 2.665 Lebenspunkte. Vorgaben, wie und in welcher Reihenfolge die nötigen Lebenspunkte erreicht werden mussten, gab es nicht.

Im Laufe der Studie stellten die Forscher fest, dass die Ergebnisse der größeren Gruppen sehr konstant ausfielen und sich außerdem im Laufe der Zeit verbesserten. Auch das Spektrum der Lösungsansätze war bei mehreren Gruppenmitgliedern größer. Besonders deutlich zeigten sich diese Effekte bei der schweren Fischernetz-Aufgabe. Aus Sicht der Forscher zeigen diese Beobachtungen den Einfluss der Gruppengröße auf die Weitergabe von Fähigkeiten. Eine starke Verringerung der Bevölkerung durch Krankheiten oder Naturkatastrophen führte so in früherer Zeit häufig zu einem gesellschaftlichen Zusammenbruch und dem Verlust wichtiger Fähigkeiten.

Vermutungen über diesen Zusammenhang gab es bei Anthropologen schon länger. Doch rein durch empirische und anthropologische Analysen von historischen Ereignissen waren die Auswirkungen auf kulturelle Innovation durch eine größere Bevölkerung aber nur teilweise nachweisbar. Ob die neuen Erkenntnisse der Wissenschaftler noch auf heutige Gesellschaften anwendbar sind, ist allerdings unklar. So vermuten die Forscher: „Neue Innovationen wie das Internet oder die moderne Kommunikation haben die Weitergabe von Fertigkeiten und Kulturtechniken stark verändert.“

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