Kuckucksei schützt das Nest

Nestlinge des Häherkuckucks scheiden bei Gefahr eine übel riechende Flüssigkeit aus, die Räuber abschreckt und damit auch den Jungen des Wirtsvogels nützt
Ein Aaskrähennest wird von einem Häherkuckuck (rechts oben) parasitiert.
Ein Aaskrähennest wird von einem Häherkuckuck (rechts oben) parasitiert.
© Vittorio Baglione
Oviedo (Spanien) - Kuckucksvögel legen ihre Eier in fremde Nester. Als echte Brutparasiten lassen sie ihre Jungen ohne jede Gegenleistung von anderen Vogeleltern aufziehen. Beim Häherkuckuck allerdings ist die Situation nicht so eindeutig, berichten jetzt spanische Biologen im Fachjournal „Science“: Die als Wirtsvögel dienenden Aaskrähen profitieren von einem Kuckucksei in ihrem Nest. Denn der junge Kuckuck scheidet bei Gefahr Substanzen aus dem Darm aus, die Nesträuber abschrecken. Damit verbessert er auch die Überlebenschancen der Krähenbrut. Wie groß der Vorteil für die Aaskrähen ist, hängt wohl davon ab, wie stark das Nest durch Räuber bedroht wird.

„Wir konnten zeigen, dass ein Brutparasit seinem Wirt von Nutzen sein kann“, schreiben Daniela Canestrari von der University of Oviedo und ihre Kollegen. Die Forscher beobachteten über einen Zeitraum von 16 Jahren Populationen der Aaskrähe (Corvus corone) und des Häherkuckucks (Clamator glandarius) in einem nordspanischen Brutgebiet. Es gibt Kuckucksarten, die Eier und Nestlinge ihres Wirtsvogels aus dem Nest stoßen und dessen Brut vollständig zerstören. Häherkuckuckskinder dagegen lassen sich gemeinsam mit den Krähenjungen großziehen, bis sie flügge sind. Andererseits ergreifen die Aaskrähen auch keine Abwehrmaßnahmen: Sie entfernen ein fremdes Ei nicht aus dem Nest und vertreiben auch erwachsene Häherkuckucke nicht aus ihrer Nähe. Das führt dazu, dass in manchen Regionen Nordspaniens zwei Drittel aller Aaskrähennester ein Häherkuckuckskind beherbergen.

Die Biologen stellten fest, dass in den Nestern mit Kuckuck im Schnitt mehr Krähenjungen überlebten als in den anderen. Das bestätigte sich, als sie zu reinen Krähengelegen jeweils ein Kuckucksei hinzufügten: Durch diese Manipulation stieg die Überlebensrate der geschlüpften Krähen. Ein zusätzlicher Esser im Nest schadet offenbar der Krähenpopulation insgesamt nur wenig. Zudem profitiert die parasitierte Krähenbrut von einem ungewöhnlichen Verhalten der Kuckucksjungen. Bei Gefahr sondern die Nestlinge etwa einen Milliliter Flüssigkeit aus dem Darm ab - wozu flugfähige Kuckucke nicht mehr in der Lage sind. Chemischen Analysen zufolge enthält das Sekret mehrere, teilweise ätzende Verbindungen sowie schwefelhaltige, leicht flüchtige Substanzen, die auf Säugetiere und Vögel abstoßend wirken. In Fütterungsversuchen prüften die Forscher, welchen Effekt das Sekret auf Nesträuber hat. Nur eine von acht freilaufenden Katzen fraß angebotene Fleischstücke, die damit bestrichen waren. Der Geruch verdarb auch Greifvögeln den Appetit.

Im Untersuchungsgebiet waren die Gelege der Krähen relativ stark bedroht – etwa die Hälfte aller kontrollierten Nester viel Räubern zum Opfer. Die Beziehung zwischen dem Brutparasiten und seinen Wirtsvögeln wird in diesem Fall wahrscheinlich davon beeinflusst, wie stark die Bedrohung durch Räuber ist, vermuten die Biologen. Je geringer die Bedrohung, umso mehr schadet der Kuckuck dem Bruterfolg der Krähen. Bei starker Bedrohung wandelt sich der reine Parasitismus in eine Beziehung zu gegenseitigem Nutzen um. Das Beispiel zeige, dass Brutparasitismus je nach Umweltbedingungen für den Wirt mehr oder weniger schädlich oder aber sogar nützlich sein kann. Bei den spanischen Aaskrähen könnte ein vergleichsweise großer Nutzen verhindert haben, dass im Lauf der Evolution effektive Abwehrmechanismen gegen den Kuckuck entstanden sind.

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