Krach im Meer schädigt auch Tintenfische, Kraken und Kalmare

Auswirkungen von Lärmverschmutzung in den Ozeanen könnte weitreichender sein als gedacht
Haarzellen mit akustischem Trauma
Haarzellen mit akustischem Trauma
© Laboratori d'Aplicacions Bioacústiques, Universitat Politènica de Catalunya
Barcelona (Spanien) - Nicht nur Wale und Delfine, auch Tintenfische, Kraken und Kalmare leiden unter Lärm in den Ozeanen. Die Kopffüßer erfahren durch Töne niedriger Frequenzen massive Traumata an Gleichgewichts- und Hörsinn, haben spanische Forscher beobachtet. Ihre Ergebnisse zeigen, dass auch Arten, die bei ihren alltäglichen Aktivitäten nicht so offensichtlich auf ihren Hörsinn angewiesen sind wie etwa Delfine und Wale, deutlichen Schaden nehmen. Der Schall verursacht dauerhafte und erhebliche Veränderungen der Sinneshaarzellen in den so genannten Statocysten der Weichtiere, berichten die Wissenschaftler im Fachblatt "Frontiers in Ecology and the Environment" (doi:10.1890/100124). Diese Organe sind zentraler Bestandteil für die Wahrnehmung von Gleichgewicht und Position im Wasser.

"Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass die Lärmverschmutzung in den Ozeanen sogar noch ernstere Folgen hat, als wir erwarteten, weil sie die gesamte Nahrungskette betreffen könnte", erläutert Michel André von der Universitat Politècnica de Catalunya in Barcelona gegenüber Wissenschaft aktuell. "Weitere Studien zum Mechanismus beim Einsetzen des Traumas sowie zur Lautstärkenschwelle, die das akustische Trauma auslöst, sind nötig, um Tätigkeiten auf offenem Meer in der Zukunft zu regulieren." Viele Unternehmungen seitens des Menschen in den Ozeanen - wie etwa Bohrungen oder Frachtschifftransporte - produzieren intensive Geräusche im niedrigen Frequenzbereich. Dass diese Lärmverschmutzung marine Lebewesen schädigen und zu Verhaltensänderungen führen kann, ist belegt, insbesondere bei Walen und Delfinen. Die Arbeit von André und seinen Kollegen gibt nun Hinweise darauf, dass die Auswirkungen sehr viel mehr Lebewesen treffen und damit um einiges weitreichender und gravierender sind als befürchtet.

Eindeutige Zeichen eines akustischen Traumas

Die Forscher hatten insgesamt 87 Kopffüßer vier unterschiedlicher Arten (Loligo vulgaris, Sepia officinalis, Octopus vulgaris sowie Illex coindetii) kurzen Geräuschimpulsen ausgesetzt und deren Auswirkungen auf die Statocysten untersucht. Obwohl sie die niedrigfrequenten Töne zwischen 50 und 400 Hertz dabei nur in geringer Intensität einsetzen, waren die Schädigungen deutlich: Alle Tiere zeigten deutliche Anzeichen eines akustischen Traumas. Unmittelbar nachdem sie dem Schall ausgesetzt waren, fanden sich Schäden an den Sinneszellen in den Statocysten. Später zeigten sich weitere an den Nervenfasern, die einige Stunden nach dem Schalltrauma zunehmend deutlicher wurden.

"Wenn diese kurze Einwirkung relativ geringer Intensität in unserer Studie bereits solch ernste akustische Traumata verursachen kann dann sollte der Einfluss kontinuierlicher, hochintensiver Lärmverschmutzung in den Ozeanen bedacht werden", so André. Zum Beispiel sei absehbar, dass durch Lärm verursachter Schaden der Statocysten sehr wahrscheinlich diverse Fähigkeiten eines Kopffüßlers von der Jagd über die Flucht bis zur Fortpflanzung beeinträchtigen wird, da diese Struktur für Gleichgewicht und räumliche Orientierung verantwortlich ist.

© Wissenschaft aktuell
Quelle: "Low-frequency sounds induce acoustic trauma in cephalopods", Michel André et al.; Frontiers in Ecology and the Environment (doi:10.1890/100124)


 

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