Komplizierte Phasenwechsel: Wo drei Zustände aufeinander treffen

Physiker messen erstmals Tripelpunkt in festem Material - Vanadiumoxid wechselt zwischen Leiter und Isolator
Kristallstruktur von Vanadiumoxid
Kristallstruktur von Vanadiumoxid
Seattle (USA) - Fest, flüssig, gasförmig: An genau einem Punkt knapp über Null Grad treten alle drei Zustände von Wasser gleichzeitig auf. Viele Substanzen haben solche sogenannten Tripelpunkte, nur ihre Bestimmung gestaltet sich sehr schwierig. Erstmals schafften es amerikanische Physiker nun mit einer neuen Messmethode, den Tripelpunkt für festes Vanadiumoxid exakt zu identifizieren. Wie sie in der Fachzeitschrift „Nature“ berichten, treffen bei 65 Grad Celsius eine metallische und zwei isolierende Phasen des Metalloxids aufeinander. Der sehr schnelle Wechsel zwischen diesen Zuständen mit grundlegend verschiedenen Eigenschaften macht Vanadiumoxid als Werkstoff für extrem schnelle elektronische und optische Schaltkreise interessant.

„Es gibt – rein theoretisch – viele verborgene Tripelpunkte in Festkörpern, doch sie sind nahezu überhaupt nicht untersucht“, sagt David Cobden von der University of Washington in Seattle. Zusammen mit seinen Kollegen konnte er diese Lücke der Materialforschung etwas schließen. Dazu spannten sie einen extrem dünnen Draht aus Vanadiumoxid in eine spezielle, mikromechanische Vorrichtung. Mit einem piezoelektrischen Motor konnten sie den Draht sehr genau unter Spannung setzen. Hochsensible Thermometer lieferten die genaue Temperatur. Über elektrische Messungen und mit einem Raman-Mikroskop ließen sich die verschiedenen Phasen von Vanadiumoxid erkennen.

Nach vielen Versuchen an insgesamt zehn einkristallinen Nanodrähten, die teilweise auch unter zu starker Spannung zerbrachen, lag das Ergebnis vor. Der Tripelpunkt, an dem alle drei Phasen zugleich existierten konnten, lag bei 65 Grad Celsius vor, ohne dass der Draht gedehnt und gestaucht wurde. Nur geringste Änderungen dieser Bedingungen reichten aus, um jeweils nur eine einzige Phase zu stabilisieren. Diese Wechsel vollzogen sich sehr schnell binnen weniger Pikosekunden, billionstel Bruchteilen einer Sekunde.

Diese Ermittlung von Tripelpunkten in Festkörpern gehört heute noch zur Grundlagenforschung. Doch für die Analyse von Materialeigenschaften könnten diese Experimente sehr wichtig werden, um eine genaue Kontrolle über das Verhalten von Werkstoffen zu gewinnen. Der schnelle Wechsel zwischen metallisch leitenden und isolierenden Eigenschaften in Vanadiumoxid könnte in Zukunft für extrem schnelle Schaltprozesse genutzt werden. Auf der Grundlage dieser Versuche ist es nun wahrscheinlich, dass auch weitere Metalloxide ihre bisher nur in theoretischen Modellen vorhergesagten Tripelpunkte offenbaren werden.

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