Klafft das Ozonloch noch bis 2080?

Vernachlässigte Substanz Dichlormethan könnte Erholung der Ozonschicht in der Stratosphäre um Jahrzehnte verzögern
Ozonloch über der Antarktis im Oktober 2015 mit Rekordgröße. Seitdem schrumpft es langsam.
Ozonloch über der Antarktis im Oktober 2015 mit Rekordgröße. Seitdem schrumpft es langsam.
© DLR
Lancaster (Großbritannien) - Das Ozonloch über der Antarktis könnte sich deutlich langsamer schließen als bisher angenommen. Zu diesem Ergebnis kommt ein britisch-amerikanisches Forscherteam, das nun den Einfluss der bisher nicht verbotenen, aber Ozon-schädigenden Substanz Dichlormethan auf der Basis aktueller Messdaten und Modelle neu bewertet hat. In der Fachzeitschrift „Nature Communications“ warnen sie davor, dass die vor gefährlicher UV-Strahlung schützende Ozonschicht sich daher erst bis zum Jahr 2080 erholen könnte, gut 30 Jahre später als es bisherige Modelle anzeigen.

„Der Ozonabbau durch Dichlormethan ist derzeit zwar eher gering“, sagt Ryan Hossaini von der Lancaster University. Doch trotz seiner kurzen Lebenszeit in der Atmosphäre könnte die Substanz wegen seiner zunehmenden Verwendung die Erholung der Ozonschicht substanziell verzögern. Ihre Warnung gründen Hossaini und seine Kollegen auf Messungen der atmosphärischen Konzentration von Dichlormethan und auf realistischen Annahmen für dessen weitere Entwicklung. Seit etwa 2005 nimmt diese Konzentration um mehr als fünf Prozent pro Jahr zu. Jährlich werden eine Million Tonnen Dichlormethan emittiert, die als Entfettungsmittel in der Metallindustrie oder zum Aufschäumen von Kunststoffen genutzt werden.

Die deutlich erhöhte Dichlormethan-Emission ließen die Wissenschaftler in ein komplexes globales Modell der Atmosphäre einfließen, in dem die chemischen Auswirkungen der Substanz mit dem Transport durch die Atmosphärenschichten gekoppelt wurden. Mit diesem Chemie-Transport-Model konnte der Ozon-schädigende Effekt des Dichlormethans von dem anderer verbotener Verursacher wie den Fluorchlorkohlenwasserstoffen – kurz FCKW – getrennt beurteilt werden. Das Ergebnis: Bleibt die Konzentration konstant, schließt sich das Ozonloch etwa fünf Jahre später als bisher angenommen. Steigt die Nutzung von Dichlormethan aber weiter wie in den vergangenen zehn Jahren an, kann erst 2080 mit einer Erholung der Ozonschicht gerechnet werden.

Diese Studie zeigt eine Lücke im 1987 von der Staatengemeinschaft beschlossenen Montreal Protokoll auf, das den Verzicht auf langlebige FCKW regelt. Kurzlebige chlorierte Kohlenwasserstoffe wie Dichlormethan sind bislang von diesem Verbot ausgenommen, da es sich schneller in Atmosphäre zersetzt und damals in keinen bedeutenden Mengen genutzt wurde. Seitdem wird Dichlormethan jedoch als Ersatzsubstanz für die verbotenen FCKW verwendet. Hossaini und Kollegen wollen mit weiteren Messungen und verfeinerten Modellen die Auswirkungen von Dichlormethan noch genauer ermitteln.

Das Team um Hossaini fordert, den Einfluss von Dichlormethan und weiteren verwandten und ebenfalls nicht verbotenen Verbindungen auf die Atmosphäre stärker zu beachten. Ihre aktuelle Studie stößt bei vielen Kollegen auf großes Interesse. „In dieser Studie wird erstmals gezeigt, welche überraschenden Auswirkungen kurzlebige chlorhaltige Gase auf die Ozonschicht in der Stratosphäre haben“, sagt Reinhard Zellner, Leiter des Instituts für Physikalische Chemie an der Universität Duisburg-Essen. „Das Ozonloch wird sich nur dann schließen und damit die globale Erholung der Ozonschicht vollziehen, wenn keine Chlor-haltigen Substanzen mehr in die Atmosphäre entlassen werden“, verdeutlicht Martin Dameris vom Institut für Physik der Atmosphäre am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Oberpfaffenhofen. „Ich gehe sehr stark davon aus, dass Dichlormethan sehr bald reglementiert wird.“

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