Kannibalismus macht männliche Spinnen wählerisch

Männliche Radnetzspinnen, die nach der Begattung meist gefressen werden, lassen sich nicht mit jedem willigen Weibchen ein
Kurz nach Beginn der Kopulation, beginnt das Weibchen der Opuntienspinne (Cyrtophora citricola) das winzige Männchen aufzufressen.
Kurz nach Beginn der Kopulation, beginnt das Weibchen der Opuntienspinne (Cyrtophora citricola) das winzige Männchen aufzufressen.
© Yip et al.
Midreshet Ben-Gurion (Israel) - In der Tierwelt ist es die Regel, dass Männchen versuchen, möglichst viele Weibchen zu begatten, während die Weibchen eher wählerisch sind. Für diese unterschiedlichen Fortpflanzungsstrategien der beiden Geschlechter gibt es aber auch Ausnahmen. So ist es für das Männchen der Opuntienspinne (Cyrtophora citricola) vorteilhafter, seine Partnerin sehr sorgfältig auszuwählen, berichten jetzt israelische Biologen im Fachblatt „PLoS ONE”. Denn das Männchen hat nur ein einziges Mal Gelegenheit zur Begattung: In den meisten Fällen wird es vom Weibchen nach der Kopulation aufgefressen. Die Forscher schließen aus ihren Beobachtungen, dass sexueller Kannibalismus der Weibchen zur Evolution von wählerischem Verhalten der Männchen bei der Partnerwahl geführt hat. Da sich die Männchen widerstandslos auffressen lassen, ist anzunehmen, dass dieser Liebestod ihren Fortpflanzungserfolg beträchtlich erhöht.

„Unsere Daten zeigen nicht nur, dass die Männchen wählerisch sind, sondern dass sie sogar wählerischer sind als die Weibchen, was den üblichen Geschlechterrollen ganz entgegengesetzt ist“, schreiben Eric Yip von der Ben-Gurion University of the Negev und seine Kollegen. In ihren Verhaltensexperimenten brachten die Biologen jeweils ein Männchen – durchschnittliche Größe: 2,3 Millimeter – mit einem Weibchen zusammen, das im Schnitt 7,2 Millimeter groß ist. Wenn es zu einer Paarung kam, überlebten dies die Männchen mit einer Wahrscheinlichkeit von mehr als 80 Prozent nicht. Die Forscher untersuchten nun, ob Alter und Ernährungszustand eines Partners die Paarungsbereitschaft des anderen beeinflussen.

Während die Weibchen fast immer paarungsbereit waren, traf stets das Männchen die endgültige Entscheidung darüber, ob das Balzverhalten abgebrochen wurde oder in der Kopulation endete. Gut genährte Weibchen wurden mit doppelt so großer Wahrscheinlichkeit begattet wie schlecht ernährte. Und das nicht etwa deshalb, weil hungrige Weibchen eher zu Kannibalen würden als satte – was nicht der Fall ist – sondern weil gut genährte Weibchen mehr Eier legen. Die Männchen entschieden sich offenbar für Partnerinnen mit der größten Fruchtbarkeit, wobei jungfräuliche Weibchen die noch größeren Chancen hatten.

„Da diese Spinnen in Kolonien leben, haben die Männchen häufig Gelegenheit, mehreren empfängnisbereiten Weibchen zu begegnen. Wir fanden heraus, dass sie jüngere, fettere und damit fruchtbarere Weibchen bevorzugen“, sagt Yip. Die hohe Rate des sexuellen Kannibalismus werfe die Frage auf, ob die Männchen selbst mit dazu beitragen, gefressen zu werden. Denn sie unternehmen keine Versuche, nach der Paarung lebend zu entkommen. Ihre Selbstaufopferung könnte ihnen helfen, die Vaterschaft zu sichern – vielleicht weil sich dadurch die Kopulationsdauer verlängert und mehr Spermien übertragen werden können.

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