Kannenpflanze: Insektenfallen zeitweise außer Betrieb

Wenn Kundschafter-Ameisen beim Erstbesuch nicht gefangen werden, können sie eine große Zahl von Nestgenossen in die später wieder funktionierende Falle führen
Ameise beim Nektarsammeln am Rand der Kannenfalle einer Nepenthes-Art.
Ameise beim Nektarsammeln am Rand der Kannenfalle einer Nepenthes-Art.
© Dr. Ulrike Bauer, University of Bristol, UK
Bristol (Großbritannien) - Die fleischfressende Kannenpflanze fängt ihre Beute in kannenförmig umgebildeten Blättern, die als Fallgrube dienen. Angelockte Insekten stürzen vom glitschigen Rand der Öffnung in einen Verdauungssaft. Aber bei trocknem Wetter finden die Insekten genügend Halt auf der angetrockneten Oberfläche und können zur Nektarquelle gelangen. Dass die Fallen zeitweise nicht funktionieren ist dennoch kein Nachteil für die Pflanze, berichten jetzt britische Forscher. Ganz im Gegenteil: Wenn eine Kundschafter-Ameise die Kanne unbehelligt verlassen und zu ihrem Nest zurückkehren kann, weist sie vielen anderen Nestbewohnern den Weg zur Futterstelle. Steigt dann die Luftfeuchtigkeit wieder, wird auf einen Schlag eine ganze Gruppe von Ameisen zur Beute. Damit nutzt die Kannenpflanze gezielt das Verhalten von Ameisen aus und steigert so die Effizienz ihrer Fangtechnik, schreiben die Biologen im Fachblatt „Proceedings of the Royal Society B”. Bei anderen Insekten, die keine Kundschafter zur Nahrungssuche ausschicken, funktioniert diese Strategie natürlich nicht.

„Eine Kannenfalle, die ständig glitschig-feucht ist, wird zwar die meisten der Scout-Ameisen fangen. Es entgehen ihr aber viel größere Mengen an rekrutierten Arbeiterameisen“, sagt Ulrike Bauer von der University of Bristol. Diese „Scout-Hypothese” bestätigte ihr Forscherteam durch Freilandexperimente mit der Kannenpflanze Nepenthes rafflesiana auf Borneo. Die Fangapparate der fleischfressenden Pflanze locken mit Duftstoffen hauptsächlich Ameisen an, die am inneren Kannenrand Nektar suchen – und dabei ihren Halt verlieren. Aus klimatischen Gründen bleibt aber an manchen Tagen die ansonsten feuchte, glatte Oberfläche des Kannenrandes bis zu acht Stunden lang trocken, so dass die Falle nicht mehr funktionsfähig ist.

Die Forscher kontrollierten 16 Tage lang Zahl und Art der Beuteinsekten von 30 Pflanzen. Sie ließen deren Kannen entweder unverändert oder beträufelten sie während der ganzen Zeit aus einem Wasserreservoir nach dem Prinzip einer medizinischen Tropfinfusion. Die Ausbeute an gefangenen Ameisen war mit den andauernd befeuchteten Kannen geringer als mit den anderen. Dafür enthielten die ständig funktionsbereiten Fallen erwartungsgemäß mehr andere Insekten wie zum Beispiel Fliegen. Insgesamt erwiesen sich die nicht manipulierten Kannen aber als wesentlich effektiver, da sie des Öfteren ganze Gruppen von zum Teil mehr als 20 Ameisen derselben Art enthielten, die offenbar von Kundschafter-Ameisen rekrutiert worden waren.

Insbesondere für größere Pflanzen, die oft mehrere Dutzend Kannen ausbilden, sei es vorteilhaft, durch zeitweise inaktive Fallen auf den Beutefang in großen Schüben zu setzen, schreiben die Autoren. Junge Pflanzen dagegen bilden noch eine rutschige Wachsschicht in den Kannen aus, die auch bei trocknem Wetter Insekten abstürzen lässt. Mit ihren nur wenigen Kannen haben sie eine geringere Chance, große Ameisengruppen zu fangen. Daher bevorzugen sie eine zuverlässigere Fangtechnik und nehmen eine geringere Ausbeute in Kauf. Die Forscher vermuten, dass sich auch andere Arten fleischfressender Pflanzen den „Scout-Effekt“ beim Beutefang zunutze machen könnten.

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