Kaiserschnitt: Weniger nützliche Darmkeime und gestörte Immunfunktion

Auch zwei Jahre nach der Geburt zeigen die Kinder noch immer eine geringere Artenvielfalt der Darmbakterien
Eine Geburt per Kaiserschnitt sollte nur erfolgen, wenn sie medizinisch notwendig ist.
Eine Geburt per Kaiserschnitt sollte nur erfolgen, wenn sie medizinisch notwendig ist.
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Stockholm (Schweden) - Kinder, die durch Kaiserschnitt zur Welt kommen, haben ein erhöhtes Risiko, an Allergien zu erkranken. Als wahrscheinliche Ursache dafür gilt, dass sich die Darmbakterien nicht so entwickeln können, wie es für eine normale Reifung des Immunsystems nötig wäre. Das bestätigen jetzt Untersuchungen schwedischer Biologen. Bei Kaiserschnittbabys fanden sie in den ersten zwei Lebensjahren ein deutlich geringeres Artenspektrum an Darmbakterien. Zudem ergaben Analysen von Blutproben schwächere Aktivitäten von Immunzellen, die allergische Reaktionen hemmen können, schreiben die Forscher im Fachblatt „Gut“.

„Bei einem Kaiserschnitt müssen sich sowohl die werdende Mutter als auch die Ärzte darüber im Klaren sein, dass eine solche Geburt der Gesundheit des Kindes schaden kann“, sagt Maria Jenmalm von der Linköping University, Mitglied des Forscherteams um Anders Andersson vom Royal Institute of Technology in Stockholm. Normalerweise erfolgt die Erstbesiedlung des zunächst keimfreien Darms des Neugeborenen durch Bakterien des Geburtskanals. Das sind hauptsächlich Milchsäurebakterien und weitere Mikroben der Vagina. Bei einem Kaiserschnitt dagegen gelangen als erstes Staphylokokken und andere Hautkeime in den Darm des Babys. Mit der Zeit bildet sich eine dauerhafte Mischpopulation zahlreicher Mikrobenarten, die eine wichtige Rolle bei der Reifung des Immunsystems übernehmen. Denn über die Darmschleimhaut besteht ein ständiger direkter Kontakt zu den Keimen und der Körper muss lernen, die harmlosen und nützlichen Bakterien zu tolerieren.

Andersson und seine Kollegen konnten nun zeigen, dass bei einem Kaiserschnitt, verglichen mit einer normalen Geburt, selbst nach zwei Jahren noch deutliche Unterschiede im Artenspektrum der Darmkeime bestehen bleiben. Die Forscher analysierten Stuhlproben von 24 Kindern, von denen neun durch Kaiserschnitt zur Welt gekommen waren. Das erste Untersuchungsmaterial wurde eine Woche nach der Geburt genommen, weitere Proben im Abstand von einigen Monaten und die letzte nach zwei Jahren. Mit Hilfe moderner Techniken der DNA-Sequenzierung identifizierten die Wissenschaftler sämtliche Bakterienarten anhand artspezifischer DNA-Abschnitte. Die Zahl unterschiedlicher Spezies fiel bei den Kaiserschnittbabys stets geringer aus als bei den anderen. Insbesondere die im Dickdarm vorherrschenden Bakterien der Bacteroides-Gruppe besiedelten den Darm meist verzögert und in geringeren Mengen. Diese Keimart spielt wahrscheinlich beim Schutz vor Allergien eine besondere Rolle.

Die Forscher versuchten auch, Unterschiede im Immunsystem der Kinder festzustellen. In Blutproben, die dem Kind 6, 12 und 24 Monate nach dem Kaiserschnitt entnommen wurden, war der Spiegel an Botenstoffen sogenannter T-Helferzellen niedriger als bei Babys nach natürlicher Geburt. Eine geringere Aktivität dieser Immunzellen könnte für eine Fehlregulation der Immunabwehr mitverantwortlich sein, wie sie bei Allergien typisch ist. Um Kindern nach einer Kaiserschnittgeburt nachträglich zu gesunden Darmkeimen zu verhelfen, könnte es nützlich sein, möglichst früh feste Nahrung anzubieten, sagt Jenmalm. Eine andere Möglichkeit, dasselbe Ziel zu erreichen, wird zurzeit in Studien erprobt. Dabei versucht man, sofort nach der Geburt Bakterien aus der Vagina der Mutter auf das Kind zu übertragen und so das Geschehen bei einer normalen Geburt zu imitieren.

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