Inventur: 1,4 Millionen große Seen auf der Erde

Analyse von Satellitendaten zeigt Veränderung der Süßwasserflächen über drei Jahrzehnte
Flusslauf des Ob in Westsibirien: Diese Karten des Global Surface Water Explorer zeigen die Entwicklung der mit Süßwasser bedeckten Gebiete weltweit. Blau zeigt permanent mit Wasser bedeckte, rosa nur zeitweise bedeckte Flächen an.
Flusslauf des Ob in Westsibirien: Diese Karten des Global Surface Water Explorer zeigen die Entwicklung der mit Süßwasser bedeckten Gebiete weltweit. Blau zeigt permanent mit Wasser bedeckte, rosa nur zeitweise bedeckte Flächen an.
© JRC, Global Surface Water Explorer
Ispra (Italien)/Montreal (Kanada) - Die zehn größten Seen der Erde – dazu zählen etwa das Kaspische Meer oder die Großen Seen in Nordamerika – enthalten 85 Prozent des Wassers aller Seen weltweit. Die restlichen 15 Prozent verteilen sich auf 1,4 Millionen Seen rund um den Globus. Dies ist ein Ergebnis der bisher genauesten Seen-Inventur, die kanadische Forscher auf der Basis von Satellitendaten erstellt haben. Ihre im Fachblatt „Nature Communications“ veröffentlichten Ergebnisse bilden eine wichtige Basis, um die Veränderungen dieser Süßwasserreservoire in Zeiten des Klimawandels besser verstehen zu können.

„Einige Seen trocknen aus, wenn die Zuflüsse versiegen. Andere entstehen neu, etwa wenn die Niederschläge in einer Region zunehmen“, sagt Bernhard Lehner von der McGill University in Montreal. Um die Wassermenge zu ermitteln, nutzte er mit seinen Kollegen nicht nur Satellitenbilder, auf denen die 1,4 Millionen Seen mit einer Mindestfläche von zehn Hektar erkennbar waren. Auch die Wassertiefe der Seen, die vor allem in gebirgigen Regionen größer ausfällt, schätzten die Forscher ab. Dies gelang ihnen anhand von bekannten Wassertiefen und sinnvollen Extrapolationen auf Seen, von denen keine Tiefenmessungen vorlagen. Die gesamte Wassermenge sämtlicher Seen summiert sich demnach auf mehr als 180.000 Kubikkilometer. Das reicht in einem Gedankenmodell aus, um alle Kontinente der Erde mit einer 1,3 Meter hohen Wasserschicht zu bedecken.

Eine Inventur der Süßwasservorkommen ist für die Versorgung der Weltbevölkerung von immenser Bedeutung. Über die neuen kanadischen Ergebnisse hinaus ermittelten europäische Forscher kürzlich die Veränderung aller Süßwasserflächen der Erde seit 1984. Ihr Ergebnis: Nahezu auf allen Kontinenten vergrößerten sich die von Süßwasser bedeckten Flächen in den vergangenen drei Jahrzehnten. Nur in Zentralasien, Australien und Teilen der USA schrumpften die Wasserflächen. Durchgeführt wurde die Analyse unter Federführung des Joint Research Center der EU in Ispra, das die gesammelten Resultate nun in der Fachzeitschrift „Nature“ veröffentlichte. Mit dem „Global Surface Water Explorer“ erstellten die Wissenschaftler eine frei zugängliche Datenbank, die für alle Staaten der Erde eine wichtige Datengrundlage bietet. Damit lassen sich in Zukunft die Auswirkungen des Klimawandels und von Infrastrukturmaßnahmen wie etwa den Bau von Stauseen oder Bewässerungssystemen genauer abschätzen. Allein die Wassertiefe floss nicht in diese Analyse ein, so dass die Forscher keine Mengenangaben des Süßwasser machen konnten.

„Zwischen 1984 und 2015 sind weltweit etwa 90.000 Quadratkilometer Wasserflächen verschwunden, dafür wurden auf 184.000 Quadratkilometern vormals zumindest zeitweise trockene Gebiete permanent mit Wasser bedeckt“, fassen Alan S. Belward und seine Kollegen vom Joint Resarch Center in Ispra ihre Ergebnisse zusammen. Die Forscher nutzten für ihre Wasserinventur etwa drei Millionen Aufnahmen von drei Landsat-Satelliten, die über einen Zeitraum von 32 Jahren aufgezeichnet wurden. Alle diese Daten, in der Summe 1823 Terabyte, flossen in die Datenbank des „Global Surface Water Explorers“ ein. Die jüngsten Aufnahmen erreichten dabei eine räumliche Auflösung von 30 Metern, so dass auch kleinere Seen und Flussläufe berücksichtigt werden konnten.

Für die globale Zunahme der mit Süßwasser bedeckten Flächen machen die Forscher den Bau von Stauseen und Bewässerungssystemen, aber auch den Klimawandel verantwortlich. So ist die deutliche Zunahme auf dem tibetischen Hochplateau etwa auf das beschleunigte Abschmelzen der Himalaya-Gletscher zurückzuführen. Der Rückgang der Wasserflächen konzentriert sich mit einem Anteil von 70 Prozent auf fünf Staaten in Zentralasien: Iran, Afghanistan, Irak, Kasachstan und Usbekistan. Gründe dafür erkannten die Forscher in mehrjährigen Dürren, einer unregulierten Wasserwirtschaft und in Flussbegradigungen.

Diese bisher einzigartige Datenbank zeigt damit den Einfluss von menschlichem Handeln als auch vom Klimawandel in den vergangenen drei Jahrzehnten. Belward und Kollegen erwarten nun, dass ihr frei zugängliches Kartenwerk in möglichst vielen Staaten auch genutzt wird, um über eine geplante Entwicklung der Infrastruktur eine gute Wasserversorgung der Bevölkerung auch in Zukunft gewährleisten zu können. In den kommenden Jahren könnte die Datenbank sogar noch genauere Informationen liefern, da dann die Messdaten der beiden europäischen Sentinel-Satelliten mit einer räumlichen Auflösung von bis zu fünf Metern einfließen werden. Ergänzt mit den Ergebnissen der kanadischen Seen-Studie, ließen sich dann auch sukzessive Wassertiefen und damit Süßwassermengen in der Datenbank ergänzen.

Global Surface Water Explorer: https://global-surface-water.appspot.com

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