Imitieren anderer nicht immer von Vorteil

Menschen ahmen unwillkürlich das Handeln sowohl von Verbündeten als auch von Gegnern nach – selbst wenn das den eigenen Erfolg schmälert
Jede minimale Bewegung zählt: Zwei Fechter kämpfen gegeneinander
Jede minimale Bewegung zählt: Zwei Fechter kämpfen gegeneinander
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Cambridge (USA) - Jeder kennt das: Wenn man jemanden schätzt oder ein gemeinsames Ziel verfolgt, tendiert man dazu, diese Person nachzuahmen. Diese Imitation anderer Verhaltensweisen, Gesichtsausdrücke, ja sogar Gefühle erfolgt in der Regel unwillkürlich und ist umso ausgeprägter, je stärker zwei Menschen einander anziehen und anerkennen. Gemeinsame gesellschaftliche Ziele sind somit offensichtlich ein Motor, der die Imitation antreibt. Doch auch, wenn das Verbundenheitsgefühl fehlt und Personen gegeneinander in Wettbewerb treten, neigen sie dazu, einander nachzuahmen. In mehreren Experimenten haben amerikanische Forscher nun gezeigt, dass die Imitation gegnerischen Verhaltens selbst dann einsetzt, wenn das eher Nachteile mit sich bringt. Wie die Wissenschaftler im Fachblatt „Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS)" berichten, scheint dieses Verhalten nicht aus einer bewussten Entscheidung zu resultieren.

„Unabhängig von den sozialen Aspekten der Nachahmung genügt es bereits, jemanden bei einer bestimmten Handlung zu beobachten, um beim Beobachter die gleichen Verhaltensweisen auszulösen“, sagt Marnix Naber, Wahrnehmungspsychologe an der Harvard University in Cambridge. Vorherige Studien hatten bereits nachgewiesen, dass Menschen auch oft Personen imitieren, mit der sie rivalisieren und die gegensätzliche Ziele verfolgt. Die entsprechenden Experimente waren jedoch immer so konzipiert, dass das Verhalten des Gegners direkten Einfluss auf das eigene Handeln gehabt hätte. „In vielen realen Situation, etwa im Basketball bei einem Weitwurf auf den Korb, kann das Handeln der gegnerischen Mannschaft aber gar nicht die Aktion des Spielers beeinflussen“, so Naber. Er und seine Kollegen gingen deshalb der Frage nach, ob Menschen auch dann zu Nachahmung tendieren, wenn es in einer Wettbewerbssituation gar keinen direkten Anlass gibt, die Aktionen des Konkurrenten zu imitieren.

Die Wissenschaftler konzipierten dazu Experimente, bei denen jeweils zwei Personen gegeneinander spielen und das gleiche Ziel erreichen sollten. Die Teilnehmer bekamen spezielle Stäbe und sollten damit schneller als ihr Konkurrent bestimmte, nur kurz auftauchende Zielpunkte auf einem Touchscreen berühren. Die Aufgabe erforderte schnelle Reaktionen und rasche, teilweise weite Armbewegungen. Der Spieler, der am Ende mehr Punkte getroffen hatte, erhielt eine Belohnung. Im Spiel zeigte sich, dass sich die Schnelligkeit der beiden Gegner jeweils einander anglich und dass beide mit ihren Stöcken jeweils ähnlich kurze oder weite Bewegungen machten. Die Spieler glichen ihre Geschwindigkeit selbst dann dem Widersacher an, wenn dieser langsamer war und die eigene Belohung in der Konsequenz geringer ausfiel. Nur wenn der Gegenspieler durch einen Computer ersetzt wurde, dessen Bewegungen für den Spieler zwar logisch nachvollziehbar, aber nicht direkt beobachtbar waren, passten die Spieler ihr Handeln nicht an.

„Unsere Ergebnisse lassen vermuten, dass Menschen andere imitieren, indem sie deren Bewegungen kopieren. Dazu muss das Handeln des Gegenübers jedoch sichtbar sein“, fasst Naber die Studienergebnisse zusammen. Die Wissenschaftler vermuten darum, dass das ungewollte Nachahmen fremden Verhaltens seine Wurzeln im System der sogenannten Spiegelneuronen hat. Diese Nervenzellen im Gehirn von Primaten weisen, selbst wenn ein Individuum einen Vorgang nur betrachtet, die gleichen Aktivitätsmuster auf wie sie beim aktiven Durchführen des Vorgangs entstünden. Die Daten der aktuellen Studie weisen darauf hin, dass sich die Dynamiken dieser Spiegelneuronen schwerer unterdrücken lassen, als bislang angenommen.

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