Hungerhormon reguliert aggressives Verhalten

Bei männlichen Mäusen beeinflusst der Blutspiegel an Ghrelin die Aggressivität gegenüber Artgenossen
Bei Mäusen beeinflusst das Hormon Ghrelin aggressives Verhalten.
Bei Mäusen beeinflusst das Hormon Ghrelin aggressives Verhalten.
© Shutterstock, Bild 71783929
Rochester (USA) - Das Hormon Ghrelin wird bei Hunger im Magen produziert, gelangt mit dem Blut ins Gehirn und regt dort den Appetit an. Doch zumindest bei Mäusen spielt dieser Botenstoff noch eine ganz andere Rolle: Er kontrolliert offenbar aggressives Verhalten, wie amerikanische Forscher jetzt berichten. Demnach reguliert ein Ghrelin-spaltendes Enzym den Blutspiegel des Hormons. Je stärker die Enzymaktivität, desto niedriger der Ghrelinspiegel und desto schwächer die Aggressivität bei sozialem Stress, schreiben die Wissenschaftler im Fachjournal „Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS)”. Die Entdeckung dieser Zusammenhänge könnte von klinischer Bedeutung sein. Denn es gibt Hinweise darauf, dass ein zu niedriger Blutspiegel des Enzyms bei Menschen das Risiko für Herz- und Gefäßkrankheiten erhöht.

„Wir vermuten, dass die Fähigkeit zur Spaltung von Ghrelin keine nebensächliche Merkwürdigkeit, sondern eine wichtige Stoffwechselfunktion dieses Enzyms ist“, erklären die Forscher um Stephen Brimijoin von der Mayo Clinic in Rochester. Sie gingen ursprünglich der Frage nach, welche Bedeutung das Enzym Butyrylcholinesterase (BChE) beim Abbau von Kokain im Körper von Süchtigen hat. In ihren Tierversuchen stellten sie dann überrascht fest, dass sich männliche Mäuse mit stark erhöhtem Enzymgehalt im Blut deutlich weniger aggressiv gegenüber anderen Männchen verhielten. Bei der Suche nach einer Ursache dafür, entdeckten sie einen engen Zusammenhang mit dem Ghrelinspiegel. Das Enzym BChE war zwar schon länger bekannt, seine genaue Funktion blieb jedoch fraglich. Jetzt zeigte sich, dass BChE Ghrelin spaltet und dadurch dessen Wirkung schwächt.

Das untersuchten die Forscher bei genetisch veränderten Mäusen mit unterschiedlicher BChE-Produktion. Durch Übertragung von BChE-Genen mit Hilfe von Viren steigerten sie die Enzymaktivität im Blut auf das Hundertfache. Dadurch sank der Ghrelin-Blutspiegel auf nur noch fünf Prozent des Normalwertes. Diese Mäuse zeigten ein verändertes Verhalten bei sozialem Stress: Wurde jungen Männchen vorübergehend ein fremdes Männchen in den Käfig gesetzt, reagierten sie nicht so aggressiv wie normale Tiere und fügten dem Eindringling weniger Bisswunden zu. Umgekehrt zeigten andere männliche Mäuse, die wegen eines Gendefekts gar kein BChE mehr bilden konnten, einen erhöhten Ghrelinspiegel und verstärktes aggressives Verhalten. Diese Ergebnisse ließen sich nicht durch einen veränderten Testosteronspiegel erklären.

Auf welche Weise Ghrelin die Verhaltensänderung bewirkt, ist noch nicht untersucht. Dazu müssten Aktivitäten von Nervenzellen in der Amygdala analysiert werden, einer Hirnregion, die Aggression und Furchtempfinden kontrolliert, schreiben die Forscher. Noch seien keine sicheren Aussagen über die mögliche Bedeutung der BChE-Aktivität für Verhalten und Krankheiten des Menschen möglich. Es bestehe aber ein Zusammenhang zwischen einem niedrigen BChE-Spiegel und der Wahrscheinlichkeit von Herz- und Gefäßerkrankungen. Bei betroffenen Menschen könnte sich daher ein BChE-Mangel – erblich verursacht oder altersbedingt – negativ auf Krankheitsrisiken und Lebenszeit auswirken.

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