Graphen: Das Wundermaterial jetzt auch aus dem Küchenmixer

Vielseitiger Rohstoff für Computer, Elektronik und Verbundwerkstoffe lässt sich auf überraschend simple Weise in großen Mengen herstellen
Die feinen Graphen-Schichten aus der Mix-Produktion überlappen unter dem Transmissionselektronenmikroskop – der Größenbalken misst 100 Nanometer.
Die feinen Graphen-Schichten aus der Mix-Produktion überlappen unter dem Transmissionselektronenmikroskop – der Größenbalken misst 100 Nanometer.
© CRANN
Dublin (Irland)/Oxford (Großbritannien) - „Verblüffend“ ist ein Wort, das im Zusammenhang mit Graphen oft zu hören ist. Denn das dünnste Material der Welt besteht aus nur ein Atom dicken Schichten, ist aber zugfester als Stahl, fast durchsichtig, elektrisch leitend und vielfältig nutzbar. Verblüfft war die Fachwelt 2004, als das bis dahin nur theoretisch bekannte Material erstmals hergestellt wurde – mithilfe von Klebestreifen. Und jetzt gelang Iren und Briten eine verblüffend einfache Methode, fehlerfreie Graphenflocken künftig in großen Mengen herzustellen. Dazu genügen Graphitpulver, ein großer Mixer, Wasser und Geschirrspülmittel, berichten die Forscher im Fachblatt „Nature Materials“. Im Prinzip zerschlägt das Mixermesser die schwimmenden Pulverpartikel zu den begehrten hauchdünnen Graphenschichten. Bisher galt, dass das Material im industriellen Maßstab entweder sehr aufwendig in guter Qualität herzustellen ist – oder in großen Mengen, aber mit Materialdefekten.

„Diese Methode liefert große Mengen Graphen ohne Defekte“, erklärt Jonathan Coleman, Professor für chemische Physik am Trinity College Dublin. "Im Labor haben wir wenige Gramm hergestellt. Doch im großen Maßstab lassen sich Tonnen produzieren.“ Colemans Team hatte gemeinsam mit Kollegen der Oxford University und der Firma Thomas Swan Ltd. zwischen 20 und 50 Gramm Graphitpulver in einen halben Liter Wasser gegeben und 10 bis 25 Milliliter handelsübliches Küchenspülmittel hinzugefügt. In einem Labormixer mit hoher Scherkraft rotierte das Gemisch 10 bis 30 Minuten lang, während die Graphitkörnchen zu einzelnen Graphenlagen zerfielen. Die seifige Flüssigkeit förderte das Aufspalten oder Aufblättern des Kohlenstoffgitters in monomolekulare Schichten, so die Forscher, während die Schlagmesser des Mixers für die nötige Energie und die Angriffspunkte sorgte.

Ergebnis des Prozesses ist eine Flüssigkeit, aus der sich die rund 100 Nanometer großen und nur einen Nanometer dicken Kohlenstoffflocken isolieren lassen. Sie lässt sich aber auch wie ein Lack auf Oberflächen auftragen oder als Beigabe zu Kunststoffen zu einem stabilen Verbundmaterial kombinieren. Als Coleman und Kollegen das erfolgreiche Mischungsverhältnis ergründet hatten, testeten sie den Ablauf auch mit einem normalen Küchenmixer – mit demselben Erfolg. Im Prinzip also, so die Forscher, könne jeder in seiner Küche künftig Graphenflocken in hoher Qualität herstellen. Zu empfehlen sei das aber nicht.

Wichtig für den Erfolg ist das exakte Mengenverhältnis von Seifenflüssigkeit zu Graphitpulver sowie dessen Körnung und Struktur. Mit den genaueren Details allerdings hält sich das Team bedeckt, hatte doch der britische Chemiefabrikant Thomas Swan & Co. die Studie finanziert. Dort wurde auch bereits ein Patent für die Methode beantragt. Der theoretische Unterbau zum Experiment belegt nicht nur, ab welchen Mixgeschwindigkeiten sich die Kohlenstoffkristalle in ihre Einzellagen zerlegen – es verspricht auch, dass die Methode sich auf andere geschichtete Kristalle anwenden lässt wie den harten Werkstoff Bornitrit (BN) oder das oft als Schmierstoff verwendete Molybdänsulfid (MoS2). Rückblickend schreiben die Forscher, dass sie mehr Komplikationen erwartet hätten, während sich die Methode dann als sehr simpel herausstellte: „Wir zeigen, dass das Abblättern in Flüssigkeitsmengen von Hunderten Millilitern bis zu Hunderten von Litern und mehr erreicht werden kann.“

Graphen gilt als Wunder-Rohstoff für künftige Computergenerationen, rollbare Touchscreens, Solarzellen, Akkus und andere technische und elektronische Anwendungen. Erstmals theoretisch beschrieben wurde es 1947, allerdings galt es bis 2004 als nicht herstellbar, weil die einlagigen Molekülschichten als instabil galten. Das allerdings widerlegten Konstantin Novoselov und Andre Geim, die später dafür den Nobelpreis bekamen: Ihre verblüffend einfache Produktionsmethode beruhte auf einem Klebeband. Damit zogen die Forscher die oberste Schicht eines Graphitblocks ab, die noch aus mehreren Atomlagen Kohlenstoff bestand. Doch ein zweiter Streifen Klebeband löste davon wiederum die Oberfläche – dieses Prinzip wiederholten die Forscher, bis nur noch eine – quasi zweidimensionale – Kohlenstofflage übrig blieb: Graphen. Seither forschen Wissenschaftler weltweit an dessen vielfältigen Eigenschaften und neuen Einsatzmöglichkeiten.

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