Gleichschritt macht den Gegner klein

Synchronisiertes Marschieren der Mitglieder einer Gruppe bewirkt, dass ein gemeinsamer Feind oder Konkurrent als weniger bedrohlich empfunden wird
Marsch einer chinesischen Ehrengarde
Marsch einer chinesischen Ehrengarde
© Staff Sgt. D. Myles Cullen (USAF) / U.S. Air Force
Los Angeles (USA) - Durch ein gemeinsames Kampfgeheul machen sich die Mitglieder einer Gruppe gegenseitig Mut und wirken selbst bedrohlicher auf die Gegner. Das gilt für Schimpansen ebenso wie für Menschen. Einen ganz ähnlichen Zweck könnten synchronisierte Bewegungen innerhalb einer Gruppe haben, berichten jetzt amerikanische Anthropologen. So verringerte das Marschieren im Gleichschritt den furchteinflößenden Eindruck, den Männer von einem angeblichen Kriminellen hatten. Dagegen schätzten die Testpersonen dessen körperliche Eigenschaften als bedrohlicher ein, wenn sie dieselbe Strecke zwar mit einem Partner aber nicht in koordinierter Schrittfolge zurückgelegt hatten, schreiben die Forscher im Fachblatt „Biology Letters”. Demnach stärkt die synchrone Fortbewegung offenbar das Gefühl gegenseitiger Unterstützung – und könnte so auch die Bereitschaft zur Aggression steigern.

Die Erfahrung synchronisierten Verhaltens lasse einen Gegner kleiner und schwächer erscheinen, schließen Daniel Fessler und Colin Holbrook von der University of California in Los Angeles aus den Ergebnissen ihrer Studie. Daran nahmen 96 Männer im Alter zwischen 18 und 29 Jahren teil. Bei einer Beteiligung von Frauen wären die Resultate vielleicht nicht so eindeutig gewesen, vermuten die Autoren. Die Männer sollten jeweils zu zweit eine Strecke von 244 Metern zurücklegen – die einen im Gleichschritt, die anderen ohne Reglementierung. Direkt anschließend wurde ihnen ein fingiertes Polizeifoto präsentiert, das angeblich das grimmige Gesicht eines Verbrechers zeigte. Jede Testperson musste einschätzen, wie groß und stark der abgebildete Mann wohl sein könnte. Außerdem gab jeder Auskunft über seine persönliche Stimmung generell und während des Tests. Zusätzlich beurteilten die Probanden, wie eng sie den Kontakt zum Testpartner empfanden.

Die Männer, die im Gleichschritt marschierten, fühlten sich dabei besser und auch enger mit dem Partner verbunden als die anderen. Die körperlichen Merkmale des vermeintlichen Kriminellen stuften sie deutlich weniger bedrohlich ein. Möglicherweise gebe es eine dunkle Seite des synchronen Verhaltens, da es beeinflusst, wie Menschen über ihre Gegner urteilen, so die Forscher. Das könne auch den Weg ebnen für aggressive Handlungen. Es ergab sich aber kein Zusammenhang zwischen der Intensität einer kameradschaftlichen Beziehung zum jeweiligen Partner und der Einschätzung des Kriminellen. Allgemein verstärken synchronisierte Bewegungen innerhalb einer Gruppe soziale Bindungen und kooperatives Verhalten. Diese bekannte Wirkung war aber in dieser Studie unabhängig von der veränderten Einschätzung eines furchterregenden Außenstehenden. Ob umgekehrt ein ausgeprägt synchronisiertes Gruppenverhalten von Feinden oder Konkurrenten als besonders bedrohlich empfunden wird – was anzunehmen sei –, müssten neue Studien prüfen.

Im Gleichschritt marschieren heißt laut Dienstvorschrift der Bundeswehr, mit einer Schrittlänge von etwa 80 Zentimetern und 114 Schritten in der Minute mit anderen synchron zu gehen. Synchronisiertes Verhalten von Menschen findet man aber nicht nur bei Soldaten und Polizisten sondern auch in religiösen Gruppierungen, bei Sportmannschaften und Fangemeinden. Ein Zusammenhang mit Gewaltbereitschaft gegenüber Außenstehenden ist bisher kaum untersucht.

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