Gigapixel-Kamera: Die Jagd nach der höchsten Auflösung

Neuer Prototyp schießt schnell extrem hoch aufgelöste Bilder – Medien, Militär und Überwachungsunternehmen zeigen Interesse
Gigapixel-Kamera: Rückseite für den Anschluss von über 200 Megapixel-Bildchips
Gigapixel-Kamera: Rückseite für den Anschluss von über 200 Megapixel-Bildchips
© Duke University Imaging and Spectroscopy Program
Durham (USA) - Kameras mit über zehn Millionen Bildpixeln stecken heute schon in Smartphones. Aber in ihren Laboren denken Entwickler bereits an Aufnahmen mit einer tausendfach höheren Auflösung. Diese Gigapixel-Bilder sollen nicht nur die Fotografie revolutionieren, sondern als wichtiges Werkzeug für Astronomen, in der Überwachungstechnik oder für Beobachtungen der Tierwelt dienen. Für diese Zwecke baute nun das Team um David Brady an der amerikanischen Duke University in Durham eine Gigapixel-Kamera, die viel kleiner als ihre Vorgänger ist und zugleich günstiger aus bereits verfügbarer Elektronik zusammengesetzt wird.

„Unser Ziel ist eine Plattform für eine Superkamera mit einem bis 50 Gigapixeln“, sagt Brady. Mit ihrem Prototyp Aware-2, den sie in der Zeitschrift „Nature“ präsentieren, weist er den Weg. Bis zu 220 Standard-Digitalkameras mit jeweils 14 Megapixeln ordneten die Duke-Forscher auf einem durchlöcherten Kugelsegment mit etwa einem halben Meter Durchmesser an. Als Linse dient eine kompakte gewölbte Linse. Diese fängt ein Motiv mit einem sehr weiten Blickwinkel von 120° in der Breite und 40° in der Höhe ein und reicht damit nahe an das vollständige Blickfeld eines Menschens heran.

Der Faszination von Gigapixel-Bildern kann jeder bereits heute im Internet erliegen. Mit 272 Milliarden Bildpunkten hält derzeit eine Panorama-Ansicht von Shanghai den Weltrekord. Doch auch die Skylines von Köln und Sevilla, Rio de Janeiro oder Paris wurden mit mehreren Dutzend Gigapixeln festgehalten. Die Qualität der extrem hohen Auflösung offenbart sich beim Zoomen auf dem Computerbildschirm. Selbst auf kleinsten Ausschnitten können noch einzelne Steine im Mauerwerk oder Gesichtszüge von zufällig auf einem Balkon stehenden Menschen klar erkannt werden. Ein Nachteil haben diese Gigapixel-Ansichten allerdings: Sie wurden in mühevoller Handarbeit Stück für Stück aus Einzelaufnahmen zusammengesetzt. Anschlüsse mussten exakt aufeinander abgestimmt, überlappende Bildanteile gelöscht werden.

Gehen bisher Tage bis Wochen ins Land bis ein Gigapixel-Panorama fertig ist, verkürzt sich diese Zeit mit Bradys Prototyp drastisch. Bis zu drei Bilder pro Minute konnten er und seine Kollegen mit ihrer Kamera etwa von der Größe eines Koffers schießen. Um dieses Tempo zu erreichen, konstruierten sie eine ausgeklügelte Elektronik, die die Daten jedes einzelnen Bildchips binnen Sekunden zu einem Gesamtbild vereinten. Ein wichtiger Aspekt bei der Entwicklung war zudem die effiziente Kühlung der Superkamera. Denn mit 430 Watt lieferten Bildchips und Elektronik während eines Schnappschusses so viel Wärme wie ein einzelner Flutlichtstrahler im Fußballstadium. Doch Testaufnahmen des Campus der Durham University oder vom benachbarten Pungo-See bewiesen, dass der Prototyp diesen Herausforderungen gewachsen ist und eine hohe, fehlerfreie Qualität liefern kann. So sind Nummernschilder entfernter Autos deutlich lesbar und selbst die Flügel von fliegenden Schwänen am Horizont stechen auf den Zoom-Ansichten klar heraus.

Diese extrem hohe Auflösung weckt nun das Interesse der Sicherheitsbranche und vom Militär. So ist es offenbar kein Zufall, dass auch Bradys Prototyp im Rahmen eines Forschungsprojekts der Darpa, einer Behörde des US-Verteidigungsministeriums, entstanden ist. Die Vorteile liegen auf der Hand: Nur ein schnell geschossenes Bild reicht aus, um später einzelne Personen in einer Menschenmenge identifizieren oder strategische Details einer feindlichen Stellung analysieren zu können.

Bisher sind Gigapixel-Aufnahmen allerdings eine Domäne der Astronomen. Seit 2010 können auf den 1,4 Gigapixel-Bildern der Pan-STARRS-Kamera – eingebaut in einem Teleskop auf dem Mauna Kea auf Hawaii – neue Kometen und Sterne entdeckt werden. Über drei Milliarden Bildpunkte soll der Sensor des derzeit geplanten Spiegelteleskops LSST (Large Synoptic Survey Telescope) auf dem 2682 Meter hohen El-Peñón-Gipfel in Chile haben. Die eingesetzten Bildchips sind allerdings aufwendig gefertigte Einzelstücke. Zudem sind diese astronomischen Superkameras um ein Vielfaches größer und teurer.

Bradys Ansatz holt die Gigapixel-Fotografie aus dieser Wissenschafts-Nische heraus. „Wir erwarten, dass solche Kameras für Sicherheitszwecke, Veranstaltungen und Natur- und Umweltbeobachtungen in Kürze benutzt werden“, sagt der Entwickler. Ein kommendes Kamera-Modell soll dazu auch Farbbilder in Gigapixel-Qualität aufnehmen. Denn bisher schießt der Prototyp nur Schwarz-Weiß-Bilder, um die Grenzen der Auflösung optimal ausloten zu können. So sehen die Forscher die Ära der Pixeljagd noch lange nicht an ihrem Ende. „Wenn effizientere und kompaktere Elektronik entwickelt wird, werden Gigapixel-Kameras für die Hosentasche zum Alltag gehören“, ist Brady überzeugt.

© Wissenschaft aktuell
Quelle: „Multiscale gigapixel photography“, D. J. Brady et al.; Nature, DOI: 10.1038/nature11150


 

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