Giftige Säbelzahnfischchen

Einzigartiger Giftcocktail entwickelte sich bei den Säbelzahnschleimfischen erst nach den auffälligen Giftzähnen
Schädel des giftigen Dreistreifen-Säbelzahnschleimfischs (Meiacanthus grammistes) - rechts unten sind die auffälligen Giftzähne des Unterkiefers zu erkennen
Schädel des giftigen Dreistreifen-Säbelzahnschleimfischs (Meiacanthus grammistes) - rechts unten sind die auffälligen Giftzähne des Unterkiefers zu erkennen
© Anthony Romilio
Liverpool (Großbritannien) - Ein paar kleine Fische am tropischen Riff haben ganz schön große Giftzähne im Unterkiefer. Mit Hilfe sehr spezieller Gifte gehen der Dreistreifen-Säbelzahnschleimfisch und seine nächsten Anverwandten aber nicht auf Beutefang, sondern schützen sich vielmehr vor Räubern. Ein Team internationaler Biologen hat sich nun ausgiebig mit der Evolution der Giftzähne und des Giftes dieser Fische beschäftigt. Dabei stellten die Forscher unter anderem fest, dass sich im Laufe der Evolution zuerst die auffällig großen Eckzähne entwickelt haben. Die Giftdrüsen entstanden erst nach dem Apparat zur Verabreichung des Giftes. Bei den meisten giftigen Tieren, wie zum Beispiel bei Schlangen, ist das umgekehrt. Und auch in seiner biochemischen Zusammensetzung ist das Gift einzigartig. Es besteht aus mehreren Komponenten, die einzeln von anderen Tieren wie zum Beispiel hochgiftigen Kegelschnecken bekannt sind und scheint im Gegensatz zu vielen anderen Giften keine Schmerzen zu verursachen. Eher das Gegenteil ist der Fall: Die Wirkung der Eiweißstoffe, die das Gift ausmachen, dürfte mit der von Opiaten vergleichbar sein.

„Säbelzahnschleimfische sind die spannendsten Fische, die ich je studiert habe, und haben eines der verblüffendsten Gifte überhaupt”, erzählt Seniorautor Bryan Fry von der University of Queensland. „Das Gift ist chemisch einzigartig. Der Fisch injiziert anderen Fischen Opioid-Peptide, die wie Heroin oder Morphium wirken und Schmerz eher unterdrücken als ihn zu verursachen.” Dies mache einen gebissenen Fisch langsamer und benommen. Das Gift bewirkt einen plötzlichen Abfall des Blutdrucks und verursacht vermutlich Symptome wie Übelkeit und Orientierungslosigkeit, so dass sich dem zierlichen Fisch die Gelegenheit zur Flucht bietet. Fry und seine Kollegen hatten das Gift des bis zu elf Zentimeter langen Dreistreifen-Säbelzahnschleimfischs (Meiacanthus grammistes) und auch weiterer Vertreter der Gattung Meiacanthus mühselig mit Hilfe von Wattebäuschen gesammelt, da die Fische immer nur sehr kleine Mengen abgeben.

Bei der Anasyle der wertvollen Ausbeute identifizierten sie drei verschiedene Eiweißstoffe, die das Gift ausmachen: erstens ein Neuropeptid, das aus dem Gift von Kegelschnecken bekannt ist, zweitens eine Lipase, die man von Skorpionen kennt, und drittens ein Opioid-Peptid. Sie testeten die Wirkung des Gifts außerdem an Mäusen und Ratten und waren überrascht, dass die Nager auf eine Injektion des Gifts keine Anzeichen von Schmerz zeigten. Indem sie unterschiedliche Vertreter der Säbelzahnschleimfische – sowohl giftige aus der Gattung Meiacanthus als auch ungiftige Arten – und deren verwandtschaftliche Beziehungen untereinander untersuchten, konnten die Biologen darüber hinaus zeigen: Zuerst haben sich im Laufe der Evolution die auffälligen Eckzähne im Unterkiefer ausgebildet, noch bevor sie mit Gift ausgestattet wurden. „Das ist ziemlich ungewöhnlich”, sagt Erstautor Nicholas Casewell von der Liverpool School of Tropical Medicine. „Denn häufig haben wir herausgefunden – beispielsweise bei Schlangen – dass sich erst irgendeine Art von Gift entwickelt, bevor der komplizierte Mechanismus für die Verabreichung entsteht.”

Wie so oft im Tierreich ist übrigens auch bei den Säbelzahnschleimfischen das Aufkommen von Mimikry eine Begleiterscheinung der Giftigkeit. Gleich mehrere nahe Verwandte des Dreistreifen-Säbelzahnschleimfischs machen sich dessen giftige Wehrhaftigkeit zunutze, indem sie das auffällige Aussehen imitieren und sich so Räuber vom Leib halten.

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