Gestresste Jungvögel werden bessere Väter

Wenn männliche Zebrafinken als Nestlinge vorübergehend mit einem Stresshormon behandelt werden, haben sie später mehr und besser genährte Nachkommen
Junge Zebrafinken
Junge Zebrafinken
© Martin Pot (Martybugs at en.wikipedia) / Creative Commons (CC BY-SA 3.0), http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/deed.en
Missoula (USA) - Männliche Vögel, die als Nestlinge unter Stress gelitten haben, sind als Erwachsene weniger attraktive Brutpartner. Diesen Mangel an Sex-Appeal gleichen Zebrafinken aber nicht nur dadurch aus, dass sie ihre Küken besser versorgen. Überraschenderweise zeugen sie mit der ersten Brut auch mehr Nachkommen. Zudem finden sich in ihrem Nest – im Vergleich zu Vögeln, die stressfrei aufgewachsen sind – auch weniger Küken anderer Väter, berichten amerikanische Biologen im Fachblatt „Proceedings of the Royal Society B”. Allerdings könnte sich, über die gesamte Lebensdauer betrachtet, der Fortpflanzungserfolg von gestressten Jungvögeln dadurch wieder auf ein Normalmaß beschränken, dass sie früher sterben.

„Unsere Ergebnisse zeigen erstmals, dass Stress in einer frühen Entwicklungsphase einen positiven Einfluss auf die Fitness haben kann, indem sich der Bruterfolg erhöht“, schreiben Ondi Crino aus dem Labor von Creagh Breuner und ihre Kollegen von der University of Montana in Missoula. Bisher ging man davon aus, dass schlechte Lebensbedingungen, die den Spiegel an Stresshormonen steigen lassen, der biologischen Fitness eines männlichen Nestlings schadet: Eine geringere Qualität von Gesang und Gefiederfärbung verringert ihre Chancen bei der Partnerwahl. Die Forscher untersuchten am Beispiel von Zebrafinken (Taeniopygia guttata), ob solche Männchen diesen Nachteil durch besonders intensive Brutpflege oder andere Verhaltensweisen ausgleichen können.

Sie verabreichten zwei Wochen alten Nestlingen 16 Tage lang das Stresshormon Corticosteron. Die Dosis war so gewählt, dass Blutwerte erreicht wurden, die bei Vögeln auch unter natürlichen Bedingungen auftreten. Bis zum Erreichen der sexuellen Reife im Alter von drei Monaten erhielten die Finken die gleiche Nahrung wie Kontrollvögel, die dem Hormon nicht ausgesetzt waren. Alle Männchen hatten Gelegenheit zu Paarbildung und Nestbau. Verglichen mit den Kontrolltieren zeugten die mit dem Stresshormon behandelten Vögel eine größere Zahl an Küken, die außerdem auch besser ernährt wurden. Die Zahl der durch Seitensprünge außerhalb der Paarbindung gezeugten Nachkommen war bei allen ähnlich. Aber der Anteil an Jungvögeln im eigenen Nest, die genetisch nicht mit dem sozialen Vater verwandt waren, war bei den Männchen der Corticosteron-Gruppe geringer. Diese erreichten also mit ihrer ersten Brut insgesamt eine deutlich höhere biologische Fitness.

Auf welche Weise die Corticosteron-Behandlung den Bruterfolg erhöht, wissen die Biologen noch nicht. Eine Erklärung wäre, dass die frühe Stressphase eine lebensverkürzende Wirkung hat und dadurch eine intensivierte Brutpflege verursacht. In dem Fall könnte die bis zum Lebensende insgesamt erzielte Zahl an Nachkommen nur noch ähnlich hohe Werte erreichen wie bei den Kontrollen. Die Forscher halten es auch für möglich, dass der zeitweise erhöhte Spiegel des Stresshormons andere bleibende Verhaltensänderungen bewirkt, so dass die Männchen mehr Zeit mit der Fütterung der Brut und der „Bewachung“ ihres Weibchens verbringen, und dafür weniger aggressives Verhalten gegenüber Rivalen zeigen. Unter natürlichen Bedingungen könnte Umweltstress für die Nestlinge deren späteres Verhalten so prägen, dass es ihren Nachkommen beim Überleben hilft.

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