Geländegängige Roboter: Mit Beinen auch über Sand und Schlamm

Schwer berechenbare Böden sollen laufenden Robotern nach dem Vorbild von Insekten und Eidechsen weniger Probleme bereiten.
Die Forscher vor ihrem Prototypen: Daniel Goldman und Chen Li schicken den Testroboter über ein Feld von Mohnsamen
Die Forscher vor ihrem Prototypen: Daniel Goldman und Chen Li schicken den Testroboter über ein Feld von Mohnsamen
© Georgia Tech Photo: Gary Meek
Atlanta (USA) - Laufen ist beschwerlich, wenn der Untergrund nachgibt – wie lockerer Sand, schlammiger Boden oder dickes Gras. Für Roboter mit Beinen statt Rädern, auch künftige Mars-Rover könnten so aussehen, sind solche Böden besonders hinderlich. Deshalb untersuchten US-Forscher jetzt optimale Beinformen und Schrittfrequenzen und schauten sich dafür einige Tricks in der Tierwelt ab. Denn der Trend geht zu immer kleineren, autonomen Robotern, bei denen Räder in rauem Gelände leicht verkeilen können oder unverhältnismäßig groß sein müssten. Der nur 13 Zentimeter lange erfolgreichste Prototyp der Forscher hingegen hat sechs C-förmige Beine und ahmt das Laufen von Insekten oder Sand-Eidechsen nach. Die Erkenntnisse aus Experimenten und Computersimulationen dürften dabei nicht nur für bessere Roboter interessant sein, berichtet das Team im Fachblatt „Science“: Für Physiker vereinfacht die Studie das bisherige Formelwerk und definiert das neue Gebiet der Terradynamik; für Biologen liefert sie ein tieferes Verständnis tierischer Fortbewegung.

„Wir stellten fest, dass die Kraftgesetze dieser Bewegung in einer Vielfalt von körnigen Substanzen typisch sind, darunter auch Mohnsaat, Glasperlen und natürlicher Sand“, berichtet Chen Li, heute an der University of California, Berkeley. Gemeinsam mit Daniel Goldman und Tingnan Zhang hatte er am Georgia Institute of Technology nicht nur bessere geländegängige Roboter entwickeln wollen, sondern auch die Theorie dahinter untersucht, zur Fortbewegung über körnige, nachgebende Untergründe. Während die Luftfahrt sich für das Berechnen von Fluggeräten einer praktischen Reihe von Aerodynamik-Gleichungen bedienen und Designer von U-Booten auf ähnliche Formeln der Hydrodynamik zurückgreifen könnten, fehlte bisher Vergleichbares für die Bewegung auf Böden, die unter den Füßen auch nachgeben können. Entsprechend begründeten Li, Zhang und Goldman nun den Bereich der „Terradynamik“.

Zunächst hatten sie per 3D-Drucker diverse Beinformen konstruiert und beobachtet, wie diese sich auf körnigen Oberflächen bewegten. An ihrem Testroboter mit sechs Beinen konnten sie auch die angreifenden Kräfte messen und analysieren, wie die Beine Bewegung und Tempo des Roboters über verschiedene Testfelder beeinflussten. Die Berechnung solcher Bewegung kann deutlich komplexer sein als etwa im Wasser, weil Kräfte wie Widerstand und Auftrieb jedes Bein unterschiedlich beeinflussen. Nicht zuletzt spielt auch die Form der Füße sowie die Art des Auftretens und des Heraushebens aus der körnigen Masse eine Rolle. Trotzdem gelang es dem Team, das Formelwerk stark zu vereinfachen: Die Kräfte für unabhängige Bereiche aller Roboterbeine ließen sich einfach für den gesamten Roboter zusammenfassen und stimmten trotzdem mit den tatsächlichen Messwerten auch in unterschiedlichen Böden – von Mohn über Sand bis Gras – gut überein. Nur für kompliziert aufgebaute körnige Materialien seien Zusatzfaktoren mit einzurechnen, etwa die Rundheit der Körner. Das Zusammenfassen vereinfacht auch die Computerberechnung, berichtet Zhang: „Zum Beispiel brauchten unsere Rechner für das Simulieren einer Sekunde Roboterbewegung über eine Wanne mit fünf Millionen Mohnkörnern bisher einen Monat. Mit Terradynamik braucht die Simulation nur zehn Sekunden.“

Für die Praxis stellte sich heraus: Am besten funktionierten auf körnigem Untergrund konvexe Beine – in Form eines nach vorne offenen, großen C mit der Achse am Scheitelpunkt. Diese sanken zwar auch in den Boden ein, konnten aber beim Weiterbewegen fortlaufend Druck aufbauen und glitten am Ende leicht wieder hinaus. Mit ihnen war der nur 13 Zentimeter lange und 150 Gramm schwere Testroboter nicht ganz so effizient wie Insekten oder Eidechsen, doch dürften laufende Roboter in der Wüste oder auf dem Mars damit deutlich besser vorankommen als andere, so Goldman: „So lange die Beine konvex sind, erzeugt der Roboter großen Auftrieb und wenig Widerstand und kann deshalb schnell laufen.“

Und auch den Biologen eröffnen sich ganz neue Einsichten, ergänzte Goldman: „Diese Art von Werkzeugen kann verstehen helfen, warum Eidechsen Füße und Körper von bestimmter Form haben. Für viele Tiere sind die Probleme bei der Bewegung im Sand ebenso wichtig wie wie für Roboter.“

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