Gefiederfärbung: Kampf der evolutionären Kräfte

Im Spektrum zwischen besonders bunt und möglichst unauffällig wirken sexuelle und natürliche Selektion gegeneinander
 Gouldamadine (Männchen) aus der Familie der Prachtfinken
Gouldamadine (Männchen) aus der Familie der Prachtfinken
© Peter Dunn
Milwaukee (USA) - Bei vielen Vogelarten ist das Gefieder der Männchen deutlich prachtvoller als das der Weibchen. Dieser Unterschied beruht auf sexueller Selektion, denn Weibchen bevorzugen besonders farbenprächtige Männchen. Eine Studie, die US-Biologen im Fachblatt „Science Advances“ präsentieren, zeigt nun jedoch: Auch die natürliche Selektion spielt für die Gefiederfärbung eine mindestens ebensogroße Rolle. Also auch die Umweltbedingungen, wie zum Beispiel die Beschaffenheit des Lebensraums, beeinflussen die Farbgebung, so dass die Vögel etwa von Feinden nicht so leicht entdeckt werden. Im Gegensatz zur sexuellen Selektion bewirkt die natürliche Selektion daher, dass sich die Gefieder der beiden Geschlechter farblich ähnlicher werden.

„Die Diskussion um die Evolution der Gefiederfärbung bei Vögeln kann geklärt werden, indem man feststellt, dass beides einen Einfluss hat, natürliche wie sexuelle Selektion“, schreiben Linda A. Whittingham und ihre Kollegen von der University of Wisconsin-Milwaukee. Beides habe die Farbgebung betreffend allerdings auf zwei unterschiedlichen Achsen agiert. Während die sexuelle Selektion auf der Achse der Unterschiede zwischen den Geschlechtern wirkt, beeinflusst die natürliche Selektion beide Geschlechter gleichermaßen. Die Biologen hatten Daten zur Gefiederfärbung von insgesamt 977 Vogelarten weltweit gesammelt und analysiert. Die 977 Spezies umfassen ungefähr zehn Prozent aller bekannten Arten weltweit und repräsentieren etwa 80 Prozent der Vogelordnungen. Anhand von Museumsexponaten aus sechs Museen in den USA und Australien betrachteten sie immer jeweils drei Männchen und drei Weibchen und untersuchten Farbtöne und Helligkeit des Gefieders. Die Gefiederfärbung setzten die Biologen in Beziehung zu zehn Anzeichen für natürliche beziehungsweise sexuelle Selektion.

Ihre Analysen ergaben: Wie schon Darwin annahm, standen Geschlechtsunterschiede bei der Gefiederfärbung in starkem Bezug zu sexueller Selektion, die eben durch die Partnerwahl entsteht. Doch von mindestens ebenso großer Bedeutung waren Veränderungen, die zu ähnlicher Färbung beider Geschlechter führen – und diese Veränderungen wurden stets von natürlicher Selektion angetrieben. „Obwohl die meisten Studien des Vogelgefieders sich auf die Zweifarbigkeit konzentriert haben, hat die evolutionäre Veränderung meist zu eher ähnlicherem als unterschiedlichem Gefieder bei Männchen und Weibchen geführt“, schreiben die Forscher. In der Umgebung nicht aufzufallen und so besser vor Räubern geschützt zu sein, ist damit offenbar ein mindestens genauso kraftvoller Antrieb für die Entwicklung der Gefiederfarben wie die Partnerwahl.

Dies sei die erste groß angelegte Studie, so die Biologen, um die Farbgebung beider Geschlechter auf Anzeichen sowohl für sexuelle als auch natürliche Selektion zu untersuchen. „Viel Forschung hat sich darauf konzentriert, wie die Gefiederfärbung mit dem Paarungserfolg zusammenhängt, besonders bei Männchen“, erläutert Erstautor Peter O. Dunn. Er hoffe, dass diese Ergebnisse Forscher dazu bringen, verstärkt darüber nachzudenken, wie Farbe das Überleben beeinflusst, insbesondere was die Bedrohung durch Räuber und den Erfolg bei der Futtersuche anbelangt – und zwar für beide Geschlechter.

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