Gedächtnismetall: Neue Legierung hält zehn Millionen Verformungszyklen stand

Korrosionsfeste Metalllegierungen zeigen superelastisches Verhalten und könnten in Zukunft für künstliche Herzklappen genutzt werden
Unter dem Elektronenmikroskop offenbart sich die Kristallstruktur einer neuen Legierung für Gedächtnismetall. Ti2Cu-Bereiche (grüne Punkte) sind für eine hohe Zyklenfestigkeit verantwortlich.
Unter dem Elektronenmikroskop offenbart sich die Kristallstruktur einer neuen Legierung für Gedächtnismetall. Ti2Cu-Bereiche (grüne Punkte) sind für eine hohe Zyklenfestigkeit verantwortlich.
© C. Chluba et al., Science, CAU Kiel
Kiel - Einmal verbogen können Gedächtnismetalle wieder ihre ursprüngliche Form annehmen. Dank dieser Fähigkeit wird bereits daran gedacht, künstliche Herzklappen aus diesem Material zu fertigen. Diesem Ziel kommt nun eine deutsch-amerikanische Arbeitsgruppe deutlich näher. Wie die Forscher in der Fachzeitschrift „Science“ berichten, fanden sie eine spezielle Legierung, die über zehn Millionen ihre Form wechseln konnte ohne Schaden zu nehmen.

Das bekannteste Gedächtnismetall ist eine Legierung aus gleichen Anteilen Titan und Nickel, kurz Nitinol. Wird dieses Material um bis zu acht Prozent verformt, wechselt der Kristallaufbau von einer kubischen Austenit- in eine metastabile Martensit-Struktur und wärmt sich dabei etwas auf. Wieder abgekühlt nimmt das Material wieder seine ursprüngliche Kristallstruktur und Form an. Diese Superelastizität funktioniert allerdings nur für einige hundert Zyklen. Danach ermüdet das Material und bildet einzelne Risse. Doch Christoph Chluba und seine Kollegen von der Christian-Albrechts-Universität Kiel veränderten die Zusammensetzung des Gedächtnismetalls und erhielten eine Legierung mit sehr hoher Zyklenfestigkeit.

Zusätzlich zu Titan und Nickel verwendeten die Materialforscher Kupfer, um aus einer heißen Gasphase hauchdünne Metallfilme zu fertigen. Diese Legierung – Ti54Ni34Cu12 – ließ sich bei 70 Grad Celsius über zehn Millionen Mal verformen. Über die Streuung von Röntgenstrahlen und unter einem Transmissionselektronenmikroskop untersuchten die Wissenschaftler die Änderungen in der Kristallstruktur. Zusätzlich zum reversiblen Wechsel zwischen der Austenit- und der Martensit-Struktur entdeckten sie eine spezielle Ti2Cu-Phase, die sich in herkömmlichen Gedächtnismetallen nicht bilden konnte. Diese Phase wirkte offensichtlich stabilisierend und war dafür verantwortlich, dass während der Strukturwechsel keine Risse im Material auftraten.

Diese langlebige Legierung könnte nach Aussage von Chluba und Kollegen die Grundlage für stabilere Gedächtnismetalle legen. Dabei haben sie nicht nur Anwendungen in der Medizin im Blick. Denn Gedächtnismetalle können bei ihrer mechanischen Verformung der Umgebung auch Wärme zuführen oder entziehen. So schlugen erst vor wenigen Wochen dänische Wissenschaftler von der Technischen Universität Dänemarks in Roskilde vor, einen Kühlschrank auf der Basis des elastokalorischen Effekts – einer Temperaturänderung nach einer Verformung - zu entwickeln. Mit der nun gefundenen Legierung wäre auch die nötige Langlebigkeit für ein solches Gerät erreichbar.

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