GPS der Brieftauben sitzt im Hirn

Versuche in Magnetkammern zeigen, dass sich die Tiere im Erdmagnetfeld zurechtfinden, weil bestimmte Hirnzellen gemeinsam ein Navigationssystem aufbauen. Das bestätigt jüngste Studien darin, dass der Orientierungssinn von Tauben nicht allein im Schnabel angesiedelt ist.
Der Orientierungssinn von Tauben wurde schon vor 150 Jahren genutzt, um Informationen zu transportieren: Stich zweier Brieftauben aus dem Jahr 1873
Der Orientierungssinn von Tauben wurde schon vor 150 Jahren genutzt, um Informationen zu transportieren: Stich zweier Brieftauben aus dem Jahr 1873
© gemeinfrei
Houston (USA) - Den „inneren Kompass“ von Brieftauben und Zugvögeln, die sich am Erdmagnetfeld orientieren können, hatten Biologen lange im Schnabel der Tiere vermutet. Jetzt zeigen US-Forscher mit Tauben in Simulationskammern, dass ein kleines Netzwerk von Hirnzellen dafür zuständig ist: Dieses Geflecht wertet die Signale von Magnetrezeptoren im Kopf aus und stellt den Vögeln damit eine Art körpereigenes GPS-System bereit. Die Forscher konnten durch Verändern von Magnetfeldern feststellen, welche Neuronen an dieser Wahrnehmung beteiligt sind. Damit bestätigen sie auch Veröffentlichungen vor wenigen Wochen, die nachgewiesen hatten, dass eisenhaltige Kristalle im Schnabel nicht für die Magnetfeld-Empfindlichkeit verantwortlich sind. Allerdings liefern Magnetrezeptoren im Schnabel, den Augen und Ohren der Tauben die Signale, welche dann das Netzwerk im Hirn auswertet und die Richtung und Intensität des Magnetfelds bestimmt, schreibt das Team im Fachblatt „Science“. Ähnliche Netzwerke dürften auch in anderen Wirbeltieren zu finden sein, welche Erdmagnetfeld wahrnehmen.

„Unsere Ergebnisse belegen die neuronale Basis für einen Magnetsinn bei Wirbeltieren“, schreiben Le-Qing Wu und David Dickman vom texanischen Baylor College of Medicine. „Die Reaktionen von Nervenzellen im Hirnstamm der Tauben zeigen, wie einzelne Zellen die Richtung, Intensität und Polarität des magnetischen Fels kodieren – Fähigkeiten, die nötig sind, um ein inneres Modell zu erstellen, welches Bewegungsrichtung und Ort auf der Erdoberfläche darstellt.“ Dickman und Wu hatten frühere Untersuchungen aufgegriffen, nach welchen Wirbeltiere das Magnetfeld dank Rezeptoren in der Netzhaut des Auges, in Schnabel oder Nase und im Innenohr wahrnehmen. Um die zentralen Mechanismen der Wahrnehmung im Hirn herauszufinden, hatten die Forscher zuvor verschiedene Hirnregionen identifiziert, die sich durch solche Felder stimulieren lassen. Diese waren bereits bekannt für ihre Beteiligung an räumlicher Orientierung und Navigation.

Hier setzten die Hirnforscher nun an, bei ihrer Suche nach dem Verarbeitungszentrum der Magnet-Signale. Sie platzierten sieben Tauben mit fixiertem Kopf jeweils in einen völlig schwarzen Raum, um Störungen durch Bewegung oder Bilder zu vermeiden. Dann neutralisierten sie mithilfe eines 3D-Systems aus Magnetspulen das umgebende Erdmagnetfeld. Und erzeugten schließlich ein künstliches Magnetfeld im Raum, das sie in kleinen Schritten verändern konnten: in seiner Intensität ebenso wie in Ausrichtung und Winkel, dem magnetischen Azimut. Gleichzeitig registrierte das Team die Aktivität jener Hirnzellen im Vogelkopf, die es zuvor als mögliche Kandidaten identifiziert hatte. Tatsächlich zeigten 53 dieser Neuronen im Hirnstamm deutliche Aktivität, wenn sich das Magnetfeld veränderte. Am empfindlichsten reagierten diese Zellen auf Feldstärken, die dem Intensitätsbereich des Erdmagnetfelds entsprechen.

© Wissenschaft aktuell
Quelle: „Neural Correlates of a Magnetic Sense" L.-Q. Wu, J.D. Dickman; Science, DOI: 10.1126/science.1216567


 

Home | Über uns | Kontakt | AGB | Impressum | Datenschutzerklärung
© Wissenschaft aktuell & Scientec Internet Applications + Media GmbH, Hamburg