Frühe Höhlenmenschen wählten Bräute aus der Ferne

Substanzen im Zahnschmelz verraten, dass bei manchen Vormenschen-Arten überraschenderweise die Frauen ihren Stamm verließen
In einer Savannenlandschaft wie dieser lebten Paranthropus robustus, hier illustriert, und Australopithecus africanus, bei denen die Frauen ihre Heimat verließen, während die Männer sich philopatrisch verhielten.
In einer Savannenlandschaft wie dieser lebten Paranthropus robustus, hier illustriert, und Australopithecus africanus, bei denen die Frauen ihre Heimat verließen, während die Männer sich philopatrisch verhielten.
© of Walter Voigt/Lee Berger/Brett Hilton-Barber
Boulder (USA)/Leipzig - Die Männer blieben daheim und die Frauen reisten in die Welt: Diese überraschende Rollenverteilung galt bei Vorfahren des Menschen, die vor rund zwei Millionen Jahren im Süden Afrikas lebten. Das konnte ein internationales Forscherteam jetzt anhand von Zahnanalysen nachweisen. Weil sich beim Bilden von Zahnschmelz bestimmte Substanzen einlagern, lässt sich auch heute noch feststellen, in welcher Region ein Mensch oder Tier als Kind wahrscheinlich gelebt hat. Bei der genaueren Untersuchung von fossilen Zähnen aus zwei südafrikanischen Höhlensystemen zeigte sich nun: Die Männer waren zumeist in derselben Region gestorben, in der sie auch aufgewachsen waren. Die meisten Frauen jedoch stammten ursprünglich offenbar aus einer ganz anderen Region, berichten die Forscher im Fachblatt "Nature" (doi: 10.1038/nature10149). Eine solche Gesellschaft, bei der die Weibchen ihren Stamm verlassen, ist von heutigen Schimpansen bekannt. Bei den meisten uns näher verwandten Menschenaffen wie den Gorillas jedoch ist es üblich, dass die Weibchen beim Stamm bleiben und die Männchen in die Welt ziehen.

"Hier haben wir den ersten direkten Einblick in die geographischen Bewegungen früher Hominiden", berichtet Hauptautorin Sandi Copeland von der University of Colorado Boulder und dem Leipziger Max Plank Institut für Evolutionäre Anthropologie. Gemeinsam mit Kollegen aus der Schweiz, Großbritannien, Südafrika, Kanada und den USA hatte sie 19 Zähne untersucht, deren Besitzer vor grob 2,7 bis 1,7 Millionen Jahren im südafrikanischen Sterkfontein-Tal gelebt hatten. Dabei handelte es sich um frühe Vorfahren des Menschen der Art Australopithecus africanus und der Art Paranthropus robustus, deren Überreste in den nahe beieinander liegenden Höhlensystemen Sterkfontein und Swartkrans gefunden worden waren. Beide Arten gehören zu den sogenannten Australopithecina, die auch das als "Lucy" bekannt gewordene Fossil aus Äthiopien umfassen. Um zu untermauern, dass die größeren Backenzähne den männlichen und die kleineren den weiblichen Vormenschen zuzuschreiben sind, verglichen die Forscher sie mit Zähnen und Kieferfossilien aus fünf anderen Hominiden-Fundorten der Region. Zudem analysierten sie 38 fossile Zähne von Pavianen, Antilopen und Nagern sowie mehr als 170 moderne Pflanzen und Tierarten und 11 Bodensubstrate, die im engeren Umkreis des Höhlensystems vorkommen.

Abtragende Untersuchung

"Unsere früheren Projekte hatten gezeigt, dass diese Hominiden eine hochvariable Ernährung hatten. Deshalb fragten wir uns, ob sie viel durch das Land gezogen waren", sagt Julia Lee-Thorp, Spezialistin für fossile Zahnanalyse an der britischen University of Oxford. "Doch als die Ergebnisse kamen, merkten wir schnell, dass wir einen ganz anderen Treffer gelandet hatten - einen Unterschied zwischen den Männern und Frauen, sehr unerwartet." Hauptwerkzeug der Forscher war die sogenannte Laserablation, bei der ein gepulster Laser eine winzige Probe vom Material zum Verdampfen bringt. So ließ sich der Zahnschmelz auf seine Varianten des Elementes Strontium untersuchen: Strontium kommt in der Natur in Fels und Erde vor und seine unterschiedlichen Formen, die Isotope, sind in diesen geologischen Materialien in ganz unterschiedlichem Verhältnis verteilt. In der Nahrungskette wiederum werden diese Strontium-Isotope von Pflanzen und Tieren aufgenommen. Deshalb lässt sich aus deren Verhältnis, in dem diese während des Wachstums auch in die bleibenden Zähne gelangen, auf den Aufenthaltsort in der Kindheit schließen, erklärt Copeland: "Die Strontium-Isotop-Verhältnisse sind ein direkter Spiegel der Lebensmittel, die diese Hominiden aßen, die wiederum die örtliche Geologie widerspiegeln."

© Wissenschaft aktuell
Quelle: "Strontium isotope evidence for landscape use by early hominins", Sandi R. Copeland, Michael P. Richards et al.; Nature, Bd. 474, .76, 2.Juni 2011
www.nature.com/doifinder/10.1038/nature10149


 

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