Forscherschweiß – unterschätzter Einflussfaktor bei Tierversuchen

Körpergeruch von Männern löst bei Nagern ängstliches Verhalten, Stress und vermindertes Schmerzempfinden aus
Männlicher Körpergeruch beeinflusst Schmerzempfinden und Verhalten von Versuchstieren.
Männlicher Körpergeruch beeinflusst Schmerzempfinden und Verhalten von Versuchstieren.
© Alexander H. Tuttle
Montreal (Kanada) - Versuchstiere im Labor können ganz unterschiedlich reagieren, je nachdem ob ein Mann oder eine Frau das Experiment durchführt. Das beeinflusst die Ergebnisse wissenschaftlicher Untersuchungen, berichten kanadische Psychologen im Fachjournal „Nature Methods”. Demnach erzeugt der Körpergeruch eines Mannes Stressreaktionen und verringert die Schmerzempfindlichkeit von Mäusen und Ratten. Eine ähnliche Wirkung hatten Geruchsstoffe verschiedener männlicher Säugetiere. Bei Verhaltensexperimenten und anderen Tests an Labortieren sollte daher das Geschlecht des Forschers als möglicher Einflussfaktor berücksichtigt werden.

„Unseren Ergebnissen zufolge ist ein Hauptgrund für die mangelnde Reproduzierbarkeit von Tierstudien das Geschlecht des Experimentators – ein Faktor, der bisher im Methodenteil von Veröffentlichungen nicht genannt wird“, sagt Robert Sorge aus der Forschergruppe von Jeffrey Mogil an der McGill University in Montreal. Viele Wissenschaftler hätten zwar bereits die Erfahrung gemacht, dass Nagetiere im Labor auf die Person des Forschers reagieren, so Mogil. Dass dies auch die Ergebnisse von Experimenten beeinflussen könne, sei bis jetzt aber nie direkt nachgewiesen worden.

Die Forscher konnten nun zeigen, dass die bloße Anwesenheit eines Mannes Mäuse und Ratten in eine Stresssituation versetzt. Die Auswirkung für das Tier war genauso groß wie ein 15-minütiges Eingesperrtsein in einer Röhre. Dieser Stress ließ die Körpertemperatur und den Blutspiegel des Stresshormons Corticosteron steigen und verringerte die Schmerzempfindlichkeit. Dazu genügte es, wenn sich der Mann einen halben Meter entfernt ruhig vor den Käfig setzte. Dann reagierten die Nager auf die Injektion einer schmerzauslösenden Substanz um 36 Prozent schwächer als bei Anwesenheit einer Frau. Weibliche Tiere zeigten einen etwas stärkeren Effekt als die Männchen. Mit über Nacht von Männern getragenen T-Shirts, die in der Nähe des Käfigs platziert wurden, erzielten die Forscher dieselben Resultate.

Auslöser der sogenannten stressinduzierten Analgesie waren offenbar Bestandteile des männlichen Körpergeruchs, darunter Androstenon und Androstadienon, die von Schweißdrüsen in den Achselhöhlen freigesetzt werden. Das ergaben Experimente, in denen Gaze mit diesen Steroiden beträufelt und vor die Käfige gelegt wurden. Androstenon und Androstadienon entstehen aus dem Sexualhormon Testosteron. Bei Säugetieren haben sie als Pheromone eine anregende Wirkung auf Weibchen. Die verringerte Schmerzempfindung hielt 30 bis 60 Minuten an, ließ sich aber am nächsten Tag erneut auslösen. Auch von männlichen Hunden und Katzen produzierte Körperduftstoffe waren wirksam, sofern die Tiere nicht kastriert waren. Die stressinduzierte Analgesie ist eine angeborene Reaktion von Säugetieren, bei der – zum Beipsiel in Gefahrensituationen – die Weiterleitung von Schmerzsignalen über das Rückenmark ins Gehirn unterdrückt wird.

In einer weiteren Versuchsreihe stellten die Forscher fest, dass der Geruch getragener Männer-T-Shirts auch das Verhalten der Mäuse verändert, indem er ihre Ängstlichkeit in fremder Umgebung verstärkt. „Das Problem lässt sich durch einfache Änderungen bei der Durchführung von Tierexperimenten leicht lösen“, sagt Mogil. Ein männlicher Experimentator müsse sich vor Beginn der Versuche lediglich eine Zeitlang in der Nähe der Tiere aufhalten – solange bis der störende Effekt verschwunden ist.

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