Fehlgerichtete Immunabwehr bei chronisch Lungenkranken

Ein großer Teil der Patienten mit chronisch obstruktiver Lungenerkrankung bildet Autoantikörper, die am Krankheitsprozess beteiligt sein könnten
Palma de Mallorca (Spanien) - Das Einatmen von Tabakrauch oder anderer Reizstoffe in der Atemluft fördert die Entwicklung einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD). Der genaue Mechanismus der Krankheitsentstehung ist aber nicht bekannt. Neue Ergebnisse einer spanischen Studie unterstützen die Annahme, dass dabei Autoimmunreaktionen eine wichtige Rolle spielen könnten. Der Blutspiegel an Antikörpern, die körpereigene Zellstrukturen angreifen, war bei den untersuchten Patienten stark erhöht. Außerdem ergab sich ein Zusammenhang zwischen dem Blutspiegel bestimmter Autoantikörper und der geschwächten Lungenfunktion. Die Resultate könnten dazu beitragen, eine über die Behandlung von Symptomen hinausgehende Immuntherapie zu entwickeln, schreiben die Mediziner im Fachblatt "American Journal of Respiratory and Critical Care Medicine".

"Wir haben gezeigt, dass ein Viertel bis ein Drittel aller Patienten mit klinisch stabiler COPD erhöhte Spiegel an zirkulierenden Autoantikörpern im Blut aufweist", sagt Jaume Sauleda vom Hospital Universitari Son Dureta in Palma de Mallorca. Das spräche für eine Autoimmunkomponente der Krankheitsursache. An der von ihm geleiteten Studie nahmen 328 COPD-Patienten und 67 gesunde Personen teil, die über Tabakkonsum, Body-Mass-Index, zusätzliche Krankheiten und körperliche Fitness Auskunft gaben. Die Ärzte führten Lungenfunktionstests durch und ermittelten die Blutwerte für unterschiedliche Arten von Autoantikörpern. Solche Immunglobuline werden normalerweise nicht produziert. Anstatt sich wie normale Antikörper an Mikroben oder andere eingedrungene Fremdkörper anzulagern, binden sie an Zellstrukturen des eigenen Körpers und leiten dadurch die Immunabwehr in die Irre. So erkennen antinukleäre Antikörper (ANA) Bestandteile des Zellkerns, andere koppeln an Mitochondrien, Muskelzellen oder Bestandteilen von Leber- und Nierenzellen an.

Ein Drittel der COPD-Patienten hatte elfmal höhere ANA-Blutwerte als die Kontrollpersonen. Bei einem Viertel der Patienten war der Spiegel der anderen Autoantikörper 4,5fach erhöht. Je höher die Werte dieser zweiten Gruppe von Antikörpern waren, desto schwächer war die gemessene Lungenfunktion. "Über die Mechanismen, die diesen Messergebnissen zugrunde liegen, können wir nur spekulieren", sagt Sauleda. Die erhöhten Antikörperspiegel seien vielleicht unspezifische Merkmale einer Autoimmunantwort, könnten aber auch direkt am Krankheitsprozess beteiligt sein. Es gebe Hinweise darauf, dass bei der COPD auch Autoantikörper gebildet werden, die speziell gegen Strukturen des Lungengewebes gerichtet sind, so Sauleda. Größere Studien über einen längeren Zeitraum seien nötig, um die Beziehungen zwischen Autoantikörpern und der Lungenfunktion aufzuklären. Möglicherweise könnten in Zukunft neue Therapieansätze, beispielsweise mithilfe von Immunmodulatoren, helfen, den Krankheitsverlauf zu stoppen.

Die auch als "Raucherlunge" bezeichnete COPD zählt zu den häufigsten tödlich verlaufenden Krankheiten in den Industrieländern. Ihre Hauptsymptome sind Auswurf, Husten und Atemnot. Die meisten Betroffenen sind oder waren Raucher. Auch schlechte Luftqualität durch Umweltverschmutzung könnte für das Auslösen der Krankheit eine Rolle spielen.

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Quelle: "Anti-tissue antibodies are related to lung function Impairment in chronic obstructive pulmonary disease", Belén Núñez et al.; American Journal of Respiratory and Critical Care Medicine, Online-Publikation, http://ajrccm.atsjournals.org/articlesinpress.dtl


 

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