Evolution: Monogamie sorgte für weniger Kindstötungen

Der wichtigste Antrieb für die Entwicklung einer festen Paarbindung bei Primaten bestand darin, dass die Eltern ihren Nachwuchs besser vor aggressiven Männchen der eigenen Gruppe schützen konnten
Nachtaffen der Gattung Aotus zählen zu den monogam lebenden Primaten.
Nachtaffen der Gattung Aotus zählen zu den monogam lebenden Primaten.
© Dsasso / Creative Commons (CC BY-SA 2.0), http://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0/deed.de
London (Großbritannien) - Nicht nur Vögel leben in sogenannter sozialer Monogamie: Dabei kümmern sich Vater und Mutter gemeinsam um den Nachwuchs, was Seitensprünge beider Partner aber nicht ausschließt. Unter den Säugetieren findet sich eine monogame Lebensform eher selten. Am häufigsten hat sie sich bei den Primaten entwickelt – bei einigen Arten von Halbaffen und Affen sowie beim Menschen. Britische Biologen haben jetzt die treibende Kraft der Evolution ermittelt, die zur Entwicklung von sozialer Monogamie bei Primaten geführt hat. Ausschlaggebend ist demnach, dass ein fester Partner der Mutter das Risiko von Kindstötungen durch Männchen der eigenen Gruppe verringern kann. Andere Faktoren wie die Unterstützung des Vaters bei der Versorgung der Jungen sowie Schutz und Bewachung der Partnerin haben sich erst später entwickelt und die Monogamie lediglich stabilisiert. Die Paarbildung verkürzte auch die Stillzeit, ermöglichte also mehr Schwangerschaften, was den Fortpflanzungserfolg zusätzlich steigerte, schreiben die Forscher im Fachjournal „Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS)“.

„Wir haben erstmals die Theorien zur Evolution der Monogamie systematisch geprüft und klar gezeigt, dass Kindstötungen die Entwicklung zur Monogamie angetrieben haben“, sagt Erstautor Christopher Opie vom University College London. Sein Forscherteam sammelte Daten über Sexualverhalten und Lebensweise von 230 Primatenarten, die nach ihrem Verwandtschaftsgrad in einer Art Stammbaum angeordnet wurden. Mit Hilfe statistischer Methoden suchten die Wissenschaftler nach Zusammenhängen zwischen einer monogamen Lebensweise und drei Merkmalen, die deren Entwicklung ausgelöst haben könnten. Das war zunächst die gemeinsame elterliche Versorgung des Nachwuchses, wodurch sich die Überlebenschancen der Kinder erhöhen. Ein anderer Faktor war die Bewachung des Weibchens, um deren Paarung mit anderen Männchen zu verhindern. Und schließlich wurde für jede Primatenart das Risiko von Kindstötungen registriert, das sich bei Monogamie verringert.

Zwar war jede der drei Merkmale mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit für feste Paarbindungen gekoppelt. Aber berücksichtigte man die zeitliche Abfolge ihres Auftretens im Lauf der Evolution, stellte sich heraus, dass nur die sinkende Häufigkeit von Kindstötungen als Ursache für die Verbreitung der Monogamie innerhalb einer Spezies in Frage kommt. Väterliche Mithilfe bei der Betreuung der Kinder und die Abwehr männlicher Rivalen entwickelten sich erst als Folge der monogamen Lebensweise und begünstigten sie nachträglich. Auch die Stillzeit verkürzte sich dann durch die Aufgabenteilung bei der Kinderbetreuung. So konnten die Weibchen schneller wieder schwanger werden, was die Gesamtkinderzahl erhöhte. Soziale Monogamie bei gleichzeitig hoher Rate von Kindstötungen sei offenbar ein instabiler Zustand, wohingegen Monogamie und geringes Risiko von Kindstötungen einen stabilen Zustand in der Evolution der Arten verkörpere, schreiben die Forscher.

„Diese Studie ermöglicht uns einen Blick zurück in unsere evolutionäre Vergangenheit und lässt uns die Faktoren verstehen, die für die Menschwerdung wichtig waren“, sagt Teammitglied Susanne Shultz von der University of Manchester. Ihrer Ansicht nach haben Kindstötungen auch bei der sozialen Evolution des Menschen eine entscheidende Rolle gespielt. Die Ursachen dafür, warum sich bei anderen Primaten eine polygame Lebensform erhalten hat, muss in jedem Einzelfall geprüft werden. Bei den nicht monogamen Gorillas und einigen Languren beispielsweise beruhen nach Angaben der Autoren 34 beziehungsweise 64 Prozent der Todesfälle bei Babys und Jungtieren auf Kindstötungen.

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