Elektronikmüll – Warum Gold und Silber heute tonnenweise verloren gehen

Niedrige Recyclingquote in Entwicklungsländern – Deutsche Wissenschaftler wollen Stoffkreisläufe verbessern
Demontage von Elektronikschrott in Neu Delhi (Shastri Park)
Demontage von Elektronikschrott in Neu Delhi (Shastri Park)
© Matthias Feilhauer (Benutzer: thousandways), Lizenz: CC-BY-SA-2.0-DE
Claustahl/Accra (Ghana) - “”Jedes Jahr verbrauchen die Hersteller von Smartphones, Laptops und Tablet-PCs 320 Tonnen Gold und 7.500 Tonnen Silber für ihre Produktion. Der Preis für diese Mengen an Edelmetall rangiert derzeit bei um die 17 Milliarden Euro. Zwar werden Altgeräte und Elektronikmüll bereits recycelt, doch liegt die Quote je nach Land bei unter 15 Prozent, berichteten Forscher der United Nations University nun auf einer Elektronikschrott-Konferenz in der ghanaischen Hauptstadt Accra. Die Folge: Tonnenweise gehen die Edelmetalle für eine Wiederverwertung verloren. Doch deutsche Forscher arbeiten an Lösungen für höhere Recyclingsquoten und weniger gesundheitsschädliche Bedingungen für die Arbeiter in Afrika, Indien oder Asien.

„Nachhaltigerer Konsum und ein besseres Materialrecycling sind essenziell, wenn sich Elektronikkunden weiter an ihren High-Tech-Geräten erfreuen wollen“, sagt Luis Neves von der „Global e-sustainibility Initiative" (GeSI), die den Fachkongress zusammen mit der United Nations University organisierte. Denn allein im Jahr 2011 benötigte die Elektronikindustrie knapp acht Prozent der weltweiten Goldförderung. Tendenz steigend. Und mit Goldpreisen von über 1.500 US-Dollar pro Unze werden effiziente Recyclingprozesse auch wirtschaftlich immer interessanter.

Werden so in Industrienationen heute schon über 70 Prozent der Gold- und Silberanteile im Elektronikmüll zurückgewonnen, liegt die Quote in Entwicklungsländern bei unter 15 Prozent. Die Hälfte der Edelmetalle gehen allein während des groben und laienhaften Zerlegens der Altgeräte verloren. Und aus den aussortierten, an Edelmetall reichen Bestandteilen werden danach auch nur ein Viertel der Metalle recycelt. „Der Export von Altelektronik macht uns nicht wirklich glücklich, weil die Vewertung unter menschenunwürdigen Bedingungen abläuft“, sagt Daniel Goldmann, Recycling-Experte an der Technischen Universität Clausthal. Zum Vergleich: In Industrienationen funktionieren diese Prozesse weitgehend ohne eine Belastung der Arbeiter und mit einer Ausbeute von etwa 95 Prozent. „Bei anderen Materialien ist der Verlust sogar noch viel höher“, sagt Goldmann. Bei wichtigen Metallen wie Tantal oder Indium liegt die Recyclingquote weltweit bei fast Null.

Neue, effiziente Verfahren für möglichst viele wertvolle Metalle im Elektronikmüll stehen daher derzeit in Entwicklung, mitunter im niedersächsichen Recycling-Cluster Rewimet, an dem Goldmanns Institut beteiligt ist. Das „Urban Mining“ - die Wiedergewinnung von Nutzmetallen aus Schrott und Elektronikmüll - könnte sich schnell rechnen, da die Elektronikabfälle bis zu 50-fach höhere Edelmetall-Konzentrationen aufweisen als geschürfte Metallerze. Sowohl der Energiebedarf als auch die damit verbundene Belastung des Klimas ließe sich mit einer höheren Recyclingquote drastisch senken.

„Doch es lohnt sich nicht, überall auf der Welt spezialierte Recyclinghütten hochzuziehen“, sagt Goldmann. Er sieht eher eine Lösung in einem Re-Import von aufbereitetem Elektronikschrott in die Industrienationen. In Afrika oder Indien könnte so die zunehmende Anzahl an Altgeräten in einfachen Prozessen zerlegt werden, um die an Metall besonders reichen Bestandteile für eine effizientere und umweltschonendere Aufbereitung wieder an spezialierte Unternehmen zurückzusenden. Goldmann sieht den Stoffkreislauf von Erzen, die heute schon rund um den Globus transportiert werden, als Vorbild. „Ein solches Handelssystem bräuchten wir auch für die Sekundärrohstoffe“, sagt er.

Das Öko-Institut in Darmstadt arbeitet dazu aktuell an einem Pilotprojekt mit Nigeria. „Kein anderes westafrikanisches Land importiert so viele Altgeräte“, sagt Andreas Manhart, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Öko-Instituts. Allein auf den zwei größten Märkten des Landes – dem Alaba Market und dem Ikeja Computer Village – reparieren und verkaufen 15.000 Menschen in 5.500 Kleinbetrieben gebrauchte elektrische und elektronische Geräte. So müsse ein effizientes Handels- und Recyclingsystem die Arbeitsplätze dieser Menschen sichern und zugleich deren Gesundheitsbelastung reduzieren.

Derzeit wird diskutiert, wie für beide Seiten – Arbeiter in Afrika und Recyclingunternehmen in den Industrienationen – die wachsenden Berge an Elektronikmüll zu einem lohnenden Geschäft werden können. Eine Pauschallösung für alle Staaten erwartet dabei kaum jemand. „Man muss schauen, welche Prozesse wo wie gut funktionieren“, sagt Goldmann. Erst mit diesem Wissen könnte eine effiziente Arbeitsteilung sowohl den Lebensunterhalt der Menschen in Nigeria oder Indien sichern und parallel die Recyclingquote drastisch erhöhen. Rüdiger Kühr, Elektronikmüll-Experte von der United Nations University in Bonn, mahnt zur Eile: „Eines Tages – eher früher als später – werden die Menschen zurückblicken und sich wundern, wie man so kurzsichtig und verschwenderisch mit wertvollen Ressourcen umgehen konnte.“

© Wissenschaft aktuell
Quelle: „E-waste Academy“, Accra, Juni 2012, https://sites.google.com/site/ewasteacademy/


 

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