Elektroauto: Mehr als 800 Kilometer Reichweite mit Lithium-Luft-Akkus

Neuer Prototyp mit Graphen-Elektrode löst gravierende Probleme und hält 2.000 Ladezyklen – Serienreife in zehn Jahren vorstellbar
Lithium-Luft-Akku: Langlebige und effiziente Prototypen im Labor der University of Cambridge
Lithium-Luft-Akku: Langlebige und effiziente Prototypen im Labor der University of Cambridge
© Tao Liu, Clare Grey, Gabriella Bocchetti
Cambridge (Großbritannien) - Nach gut 150 Kilometern müssen die meisten der heute verfügbaren Elektroautos an die Steckdose, bei sportlicher Fahrweise oder Kälte sogar schon früher. Lithium-Luft-Batterien könnten in Zukunft diese Reichweite vervielfachen. Theoretisch überflügeln sie herkömmliche Lithiumionen-Akkus mit einer mindestens zehnfachen Energiedichte, doch sind vor einem Einsatz in der Praxis noch viele Hürden zu überwinden. Nun entwickelten britische Wissenschaftler einen neuen Prototyp, der hoffen lässt. Wie sie in der Fachzeitschrift „Science“ berichten, hielt ihr Lithium-Luft-Akku über 2.000 Ladezyklen und erreichte eine Energieffizienz von mehr als 90 Prozent.

„Wir konnten noch nicht alle Probleme lösen, doch zeigen unsere Ergebnisse einen vielversprechenden Weg hin zu einsatzreifen Akkus“, sagt Clare Grey von der University of Cambridge. Mit ihren Kollegen verbesserte sie den Aufbau des Lithium-Luft-Akkus deutlich im Vergleich zu bisherigen Prototypen, die Strom nur über wenige Dutzend Ladezyklen speichern konnten und eine geringe Energieffizienz aufwiesen. Verantwortlich dafür waren eine Elektrode aus porösen Kohlenstoffschichten aus Graphenoxid und der Zusatz von Lithiumjodid und Wasser.

In einem Lithium-Luft-Akku wandern auch Lithiumionen von der Anode zur Kathode und reagieren dort mit Sauerstoff zu Lithiumoxid. Bei diesem Prozess können große Strommengen abgegeben und umgekehrt beim Aufladen wieder gespeichert werden. Dabei reizt Akkuforscher besonders die bei gleichem Gewicht etwa zehnfache Speicherkapazität im Vergleich zum theoretischen Maximum verfügbarer Lithiumionen-Akkus. In der Praxis wird dieses Potenzial der hohen Energiedichte zwar nie völlig ausgeschöpft, doch Grey und Kollegen halten mit ihrem Stromspeicher eine Verfünffachung für möglich. Damit läge die Reichweite von Elektroautos bei etwa 750 Kilometern und damit in der gleichen Größenordnung wie Fahrzeuge mit Benzinmotoren.

Dank des Zusatzes von Lithiumjodid und Wasser liefen im neuen Prototyp etwas veränderte elektrochemische Reaktionen ab. Ab dem Entladen bildete sich Lithiumhydroxid statt Lithiumoxid, das beim Laden deutlich leichter wieder aufgespalten werden konnte. Wichtig war dabei der poröse Aufbau der Graphenoxid-Elektrode, auf der sich Lithiumhydroxid in groben Flocken absetzte. Der Umweg der Reaktion von Lithium und Sauerstoff über den Zwischenschritt mit Lithiumiodid senkte die Differenz zwischen Lade- und Entladespannung auf nur 200 Millivolt ab. Dadurch konnte die Energieeffizienz auf einen sehr hohen Wert von 93,2 Prozent gesteigert werden.

Da für die Bildung von Lithiumhydroxid statt Lithiumoxids auch Wasser bei der elektrochemischen Reaktion beteiligt war, zeigte sich der Prototyp ungewöhnlich stabil gegen sonst störende Feuchte. Insgesamt funktionierte der neue Akku zuverlässig über 2.000 Ladezyklen und nahm damit eine wesentliche Hürde auf dem Weg zur Einsatzreife. Nur wenn das volle Speicherpotenzial ausgeschöpft wurde, sackte die Langzeitstabilität deutlich ab.

„Aber es gibt immer noch viel zu tun“, sagt Tao Liu, Erstautor der Science-Studie. Denn der Prototyp wurde bisher nur mit reinem Sauerstoff und nicht mit Luft betrieben. Der Grund: Stickstoff, Kohlendioxid und andere in der Luft enthaltene Gase hätten zu weiteren unerwünschten Reaktionen geführt, die den Akku schnell zerstört hätten. Auch Sicherheitsaspekte wie durch das Kristallwachstum auf der Elektrode mögliche Kurzschlüsse und Akkubrände, unter denen vor einigen Jahren auch Lithiumionen-Akkus litten, konnten bisher nicht berücksichtigt werden.

Dennoch sind die Akkuforscher um Clare Grey optimistisch, dass binnen zehn Jahren einsatzreife Lithium-Luft-Akkus entwickelt werden können. Das Vielfache an Speicherkapazität könnte dann sogar zu einem Bruchteil heutiger Kosten möglich werden. Sollte diese aus heutiger Sicht sehr ehrgeizige Prognose zutreffen, böten Elektroautos nicht nur eine klimafreundliche, sondern auch günstigere Mobilität. Zudem könnten schnelle Stromspeicher aus Lithium-Luft-Akkus überschüssigen Wind- und Solarstrom effizient zwischenspeichern und die Basis für eine vollständig regenerative Stromversorgung legen. Laptops und Smartphones, die dann mehrere Tage mit einer einzigen Akkuladung durchhielten, wären nur eine komfortable Begleiterscheinung.

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