Eierschale mit Selbstschutz

Der Nachwuchs von Trottellummen im Ei ist dank besonderer Nanostruktur der Kalkschale vor aggressiven Umwelteinflüssen gut geschützt
Neben ihrer Farb- und Mustervielfalt sind die Eier der Lummen für ihre Form berühmt: Falls sie in Bewegung geradten, rollen sie wie ein Kegel auf einem sehr engen Kreis. Auf auf schmalen Klippen rettet sie dies meist vor dem Sturz in die Tiefe.
Neben ihrer Farb- und Mustervielfalt sind die Eier der Lummen für ihre Form berühmt: Falls sie in Bewegung geradten, rollen sie wie ein Kegel auf einem sehr engen Kreis. Auf auf schmalen Klippen rettet sie dies meist vor dem Sturz in die Tiefe.
© Steven Portugal
London (Großbritannien )/Valencia (Spanien) - Ein wenig trottelig wirken Lummen schon, wenn sie watschelnd laufen. Gar nicht trottelig aber sind die Tricks, mit denen die Natur den Nachwuchs dieser Seevögel schützt: Eine einzigartige Kalkschale lässt die Eier in der Brutkolonie verschiedensten Gefahren trotzen. Wie britische und australische Forscher festgestellt haben, ist bei den Lummen sogar die Feinstruktur der Eierschale optimiert, als Selbstschutz in einem ätzenden Umfeld, das die Kalkschale beschädigen könnte. Lummen brüten auf nacktem Fels, auf den schmalen Felsvorsprüngen steiler Brutklippen. Dabei liegt die größte Gefahr zwar im Hinunterfallen, doch auch die allgegenwärtigen Salzwasserspritzer und aggressiver Kot könnten den Eiern enorm zuzusetzen. Dank ihrer besonderen Nanostruktur der Oberfläche sind sie aber gut geschützt, berichteten die Forscher auf der Jahrestagung der Society for Experimental Biology in Valencia. Vergleichbar mit dem nach Lotusblättern benannten Lotus-Effekt, lässt die Eierschale Flüssigkeiten einfach abperlen. Diese Struktur ist einzigartig, so die Wissenschaftler, und bei mehr als 200 anderen Vogelarten nicht zu finden – auch nicht bei eng verwandten Arten.

„Verschüttetes Wasser über einer Eiersammlung enthüllte, wie anders sich Wassertropfen auf den Schalen der Lummen-Eier verhielten“, berichtete Steven Portugal vom Royal Veterinary College der University of London und erzählte, wie ein Missgeschick sein Team auf die Idee brachte, diese Schalenstruktur näher zu untersuchen: „Die Wassertropfen blieben als Kugel auf den Eiern, typischerweise ein Zeichen für eine hydrophobe, wasserabweisende Oberfläche“. Gemeinsam mit Kollegen der University of Birmingham und der University of Adelaide verglich er diese Schalenstruktur daraufhin mit der von 217 anderen Vogelarten. Unter dem Elektronenmikroskop zeigte sich, dass die Kalkschale bei den Lummen (Uria sp.) tatsächlich eine einzigartige Nanostruktur besitzt. Die Oberfläche ist deutlich ausgeprägter als etwa bei Papageitauchern (Fratercula arctica), die in ähnlichen Regionen brüten, aber dazu Erdlöcher auf Klippen nutzen. Eine hierarchische Anordnung kegelförmiger Kalkspitzen sorgt für eine Oberfläche, an der Wasser und Kot physikalisch und chemisch keinen Halt finden.

Diese Nanostruktur hat gleich mehrere Effekte: Sie bildet mit auftreffenden Wassertropfen einen steileren Kontaktwinkel, so dass diese nicht zerfließen, sondern ihre Kugelform behalten müssen und abrollen. „Die konischen Ausstülpungen in der Eierschalen-Oberfläche der Lummen-Eier entsprechen den hierarchischen Nano-Anordnungen bei Lotusblättern, die der Selbstreinigung dienen“, schreiben Portugal und Kollegen. Zugleich ist die Schalenoberfläche rauer als andere, weshalb das Ei weniger leicht vom Fels rutschen kann. Und obendrein, so die Forscher, ist sie etwas poröser als üblich und kann, dank stärkerem Gasaustausch mit der Umwelt, besser den Salzgehalt der Meerwasserspritzer kompensieren.

Bislang waren die Eier der Lummen vor allem für ihre Form und Mustervielfalt bekannt. Die Meeresvögel von der Größe einer Ente leben in nördlichen Breiten rund um den Globus und kommen nur zur Brutzeit im Frühjahr an Land. Sie bilden dann große Kolonien an steilen Klippen und legen ihre Eier direkt auf schmale Felsvorsprünge. Maserungen und Fleckenmuster von weißgrau, grün oder blau bis zu rötlichbraun und schwarz kommen vor. Besonders bemerkenswert aber ist die bekannte Kegelform der Eier: Kommen diese ins Rollen, so beschreiben sie dabei den kleinstmöglichen Kreis um ihre Spitze. Das verhindert in vielen Fällen den direkten Sturz vom Felsvorsprung. Die Sturzgefahr ist bei den Lummen relativ oft gegeben, weil die Vogeleltern abwechselnd brüten und dafür rund einen Monat lang etwa jeden halben Tag den Platz tauschen.

© Wissenschaft aktuell


 

Home | Über uns | Kontakt | AGB | Impressum | Datenschutzerklärung
© Wissenschaft aktuell & Scientec Internet Applications + Media GmbH, Hamburg